Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe

deutscher Dichter
* 28.8. 1749 - Frankfurt am Main, Hessen , Deutschland
22.3. 1832 - Weimar

Wir singen und sagen vom Grafen so gern,
Der hier in dem Schlosse gehauset,
Da, wo ihr den Enkel des seligen Herrn,
Den heute vermählten, beschmauset.
Nun hatte sich jener im heiligen Krieg
Zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg,
Und als er zu Hause vom Rösselein stieg,
Da fand er sein Schlösselein oben;
Doch Diener und Habe zerstoben.

Da bist du nun, Gräflein, da bist du zu Haus:
Das Heimische findest du schlimmer!
Zum Fenster, da ziehen die Winde hinaus,
Sie kommen durch alle die Zimmer.
»Was wäre zu tun in der herbstlichen Nacht?
So hab ich doch manche noch schlimmer vollbracht,
Der Morgen hat alles wohl besser gemacht.
Drum rasch bei der mondlichen Helle
Ins Bett, in das Stroh, ins Gestelle!«

Und als er im willigen Schummer so lag,
Bewegt es sich unter dem Bette.
»Die Ratte, die raschle, solange sie mag!
Ja, wenn sie ein Bröselein hätte!«
Doch siehe! da stehet ein winziger Wicht
Ein Zwerglein so zierlich mit Ampelenlicht,
Mit Rednergebärden und Sprechergewicht,
Zum Fuß des ermüdeten Grafen,
Der, schläft er nicht, möcht er doch schlafen.

»Wir haben uns Feste hier oben erlaubt,
Seitdem du die Zimmer verlassen,
Und weil wir dich weit in der Ferne geglaubt,
So dachten wir eben zu prassen.
Und wenn du vergönnest und wenn dir nicht graut,
So schmausen die Zwerge, behaglich und laut,
Zu Ehren der reichen, der niedlichen Braut.«
Der Graf im Behagen des Traumes:
»Bedienet euch immer des Raumes!«

Da kommen drei Reiter, sie reiten hervor,
Die unter dem Bette gehalten;
Dann folget ein singendes, klingendes Chor
Possierlicher, kleiner Gestalten;
Und Wagen auf Wagen mit allem Gerät,
Daß einem so Hören als Sehen vergeht,
Wie´s nur in den Schlössern der Könige steht;
Zuletzt auf vergoldetem Wagen
Die Braut und die Gäste getragen.

So rennet nun alles in vollem Galopp
Und kürt sich im Saale sein Plätzchen;
Zum Drehen und Walzen und lustigen Hopp
Erkieset sich jeder ein Schätzchen.
Da pfeift es und geigt es und klinget und klirrt,
Da ringelts und schleift es und rauschet und wirrt,
Da pisperts und knisterts und flisterts und schwirrt;
Das Gräflein, es blicket hinüber,
Es dünkt ihn, als läg er im Fieber.

Nun dappelts und rappelts und klapperts im Saal
Von Bänken und Stühlen und Tischen,
Da will nun ein jeder am festlichen Mahl
Sich neben dem Liebchen erfrischen;
Sie tragen die Würste, die Schinken so klein
Und Braten und Fisch und Geflügel herein,
Es kreiset beständig der köstliche Wein;
Das toset und koset so lange,
Verschwindet zuletzt mit Gesange. –

Und sollen wir singen, was weiter geschehn,
So schweige das Toben und Tosen!
Denn was er, so artig, im Kleinen gesehn,
Erfuhr er, genoß er im Großen.
Trompeten und klingender, singender Schall
Und Wagen und Reiter und bräutlicher Schwall,
Sie kommen und zeigen und neigen sich all,
Unzählige, selige Leute.
So ging es und geht es noch heute.

Die Wächter sind gebändiget
Durch süße Liebestaten;
Doch wie wir uns verständiget,
Das wollen wir verraten;
Denn, Liebchen, was uns Glück gebracht,
Das muß auch andern nutzen,
So wollen wir der Liebesnacht
Die düstern Lampen putzen.
Und wer sodann mit uns erreicht,
Das Ohr recht abzufeimen,
Und liebt wie wir, dem wird es leicht,
Den rechten Sinn zu reimen.
Ich schickte dir, du schicktest mir,
Es war sogleich verstanden:

Amarante – Ich sah und verbrannte.
Raute – Wer schaute?
Haar vom Tiger – Ein kühner Krieger.
Haar der Gazelle – An welcher Stelle?
Büschel von Haaren – Du sollsts erfahren.
Kreide – Meide.
Stroh – Ich brenne lichterloh.
Trauben – Wills erlauben.
Korallen – Kannst mir gefallen.
Mandelkern – Sehr gern.
Rüben – Willst mich betrüben.
Karotten – Willst meiner spotten.
Zwiebeln – Was willst du grübeln?
Trauben, die weißen – Was soll das heißen?
Trauben, die blauen – Soll ich vertrauen?
Quecken – Du willst mich necken.
Nelken – Soll ich verwelken?
Narzissen – Du mußt es wissen.
Veilchen – Wart ein Weilchen.
Kirschen – Willst mich zerknirschen.
Feder vom Raben – Ich muß dich haben.
– vom Papageien – Mußt mich befreien.
Maronen – Wo wollen wir wohnen?
Blei – Ich bin dabei.
Rosenfarb – Die Freude starb.
Seide – Ich leide.
Bohnen – Will dich schonen.
Majoran – Geht mich nichts an.
Blau – Nimms nicht genau.
Traube – Ich glaube.
Beeren – Wills verwehren.
Feigen – Kannst du schweigen?
Gold – Ich bin dir hold.
Leder – Gebrauch die Feder.
Papier – So bin ich dir.
Maßlieben – Schreib nach Belieben.
Nachtviolen – Ich laß es holen.
Ein Faden – Bist eingeladen.
Ein Zweig – Mach keinen Streich.
Strauß – Ich bin zu Haus.
Winden – Wirst mich finden.
Myrten – Will dich bewirten.
Jasmin – Nimm mich hin.
Melissen – * * * auf einem Kissen.
Zypressen – Wills vergessen.
Bohnenblüte – Du falsch Gemüte.
Kalk – Bist ein Schalk.
Kohlen – Mag der * * * dich holen.
Und hätte mit Boteinah so
Nicht Dschemil sich verstanden
Wie wäre denn so frisch und froh
Ihr Name noch vorhanden?

Nachweis / Zusammenhang
»West-östlicher Diwan«
Gedichte von Johann Wolfgang von Goethe (Seite 5)
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