Die Amsel singt dasselbe Liedbei jedes Tags Erwachen,wie es ihr die Natur beschied,sie braucht es nicht zu machen.Du aber fühlest keinen Tagdir wie den andern tagenund mußt mit neuem Herzensschlagstets neuen Ton anschlagen.
Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde;Du sagst, du drehest dich um mich.Ich weiß es nicht, ich weiß nur, daß ich werdein meinen Nächten hell durch dich. Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde;sie sagen, du veränderst dich. Allein du änderst nur die Lichtgebärdeund liebst mich unveränderlich. Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde,nur mein Erdenschatten hindert dich,die Liebesfackel stets am Sonnenherdezu zünden in der Nacht für mich.
Vorn Glauben gehst du aus und kehrst zurück zum Glauben;Der Zweifel steht am Weg, die Ruhe dir zu rauben.Gehst du ihm aus dem Weg, – er ist auf allen Wegen,In anderer Gestalt tritt er dir dort entgegen.Drum flieh nicht vor dem Feind, und such´ ihn auch nicht auf;Wo er dir aufstößt, räum ihn fort aus deinem Lauf!Bekämpfen mußt du ihn, du mußt ihn überwinden,Willst du durch sein Gebiet den Weg zur Wahrheit finden.Du zweifelst nicht, weil du geworden weiser bist;Zweifel ist die Hüll´, in der die Frucht soll reifen,Und die gereifte Frucht wird ihre Hüll´ abstreifen.
Chidher, der ewig junge, sprach:Ich fuhr an einer Stadt vorbei,Ein Mann im Garten Früchte brach;Ich fragte, seit wann die Stadt hier sei?Er sprach, und pflückte die Früchte fort:"Die Stadt steht ewig an diesem Ort,Und wird so stehen ewig fort."Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich keine Spur der Stadt;Ein einsamer Schäfer blies die Schalmei,Die Herde weidete Laub und Blatt;Ich fragte: "Wie lange ist die Stadt vorbei?"Er sprach, und blies auf dem Rohre fort:"Das eine wächst, wenn das Andre dorrt;Das ist mein ewiger Weideort." –Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich ein Meer, das Wellen schlug,Ein Schiffer warf die Netze frei;Und als er ruhte vom schweren Zug,Fragt´ ich, seit wann das Meer hier sei?Er sprach, und lachte meinem Wort:"So lang als schäumen die Wellen dort,Fischt man und fischt man in diesem Port." –Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich einen waldigen Raum,Und einen Mann in der Siedelei,Er fällte mit der Axt den Baum;Ich fragte, wie alt der Wald hier sei?Er sprach:" Der Wald ist ein ewiger Hort;Schon ewig wohn´ ich an diesem Ort,Und ewig wachsen die Bäum´ hier fort." –Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich eine Stadt, und lautErschallte der Markt vom Volksgeschrei.Ich fragte: Seit wann ist die Stadt erbaut?Wohin ist Wald und Meer und Schalmei?Sie schrien, und hörten nicht mein Wort:"So ging es ewig an diesem Ort,Und wird so gehen ewig fort." –Und aber nach fünfhundert JahrenWill ich desselbigen Weges fahren.
Unsterblichkeit ist nicht der Zukunft aufgespart,Unsterblichkeit ist im Gefühl der Gegenwart.Du wärst nicht, der du bist, in diesem Nu der Zeit,Wenn du derselbige nicht wärst in Ewigkeit.So bald du denken willst, du wärest nicht mehr einst:So fühlst du, daß du dich insoweit selbst verneinst.Verneine nur dies Nein! dazu hast du empfahnDes Geistes Kraft allein, dich ewig zu bejahn.
Kehr´ ein bei mirDu bist die Ruh´,Der Friede mild,Die Sehnsucht du,Und was sie stillt. Ich weihe dirVoll Lust und SchmerzZur Wohnung hierMein Aug´ und Herz. Kehr´ ein bei mir,Und schließe duStill hinter dirDie Pforten zu! Treib andern SchmerzAus dieser Brust!Voll sei dies HerzVon deiner Lust; Dies Augenzelt,Von deinem GlanzAllein erhellt,O füll´ es ganz!
Die Welt ist da mit ihren Plagen,Die nicht von ihr zu trennen sind.Willst du die Welt, so mußt du tragenAuch ihre Plagen, Menschenkind;Und willst du ihnen dich entschlagen,Entschlage dich der Welt geschwind!Die Welt ist da mit ihren Plagen,Die nicht von ihr zu trennen sind.Dem Süßen mußt du auch entsagen,Wenn Herbes dir ist ungelind;Nicht nach der Herrin darfst du fragen,Wenn dir ist lästig das Gesind;Und wenn dich nicht der Dorn soll nagen,So sei auch für die Rose blind!Die Welt ist da mit ihren Plagen,Die nicht von ihr zu trennen sind.
Das Leben magst du wohl vergleichen einem Feste,Doch nicht zur Freude sind geladen alle Gäste.Gar manchen, scheint es, lud man nur, um die BeschwerdeZu übertragen, daß die Lust den andern werde.Den Esel lud man einst zu diesem Hochzeitsschmause,Weil es zu tragen Holz und Wasser gab im Hause.Der Esel dachte stolz, geladen bin ich auch,Jawohl, beladen mit dem Tragreff und dem Schlauch.
Und wer den Tadel an den Mannnicht bringen kann,in keinerlei Umschreibung,der bringt ihn, wenn er sich besann,zuletzt als Übertreibungdes Lobes an.
Phantasie, das ungeheure Riesenweib,Saß zu Berg,Hatte stehen neben sich zum ZeitvertreibWitz, den Zwerg.Der VerstandSeitwärts stand,Ein proportionierter Mann,Sah das tolle Spiel mit an.Phantasie mit Donnersturm thut auf den Mund,Witz verstummt;Schweigt die Riesin, thut sogleich der Zwerg sich kund,Pfeift und summt.Der VerstandHält nicht Stand,Geht und spricht: das mag ich nicht,Denn das sieht aus wie ein Gedicht.