Bis wohin reicht mein Leben(Die Liebende)Das ist mein Fenster. Ebenbin ich so sanft erwacht.Ich dachte, ich würde schweben.Bis wohin reicht mein Leben,und wo beginnt die Nacht? Ich könnte meinen, alleswäre noch Ich ringsum;durchsichtig wie eines KristallesTiefe, verdunkelt, stumm. Ich könnte auch noch die Sternefassen in mir; so großscheint mir mein Herz; so gerneließ es ihn wieder los. den ich vielleicht zu lieben,vielleicht zu halten begann.Fremd, wie nie beschriebensieht mich mein Schicksal an. Was bin ich unter dieseUnendlichkeit gelegt,duftend wie eine Wiese,hin und her bewegt, rufend zugleich und bange,daß einer den Ruf vernimmt,und zum Untergangein einem Andern bestimmt.
Wie wir auch alles in der Nacht benannten, –nicht unser Name macht die Dinge groß:es kommen Pfeile, stark und atemlos,aus Bogen, welche sich zu Spielen spannten.Und so Pilger, welche unvermutet,da eines letzten Vorhangs Falten fielen,den Altar schaun, darauf der Becher blutet,und nicht mehr rückwärts können aus dem Heile:so in die Kreise stürzen sich die Pfeileund stehen zitternd mitten in den Zielen.
Immer ist es Welt(aus: Die achte Elegie)Wir haben nie, nicht einen einzigen Tag,den reinen Raum vor uns, in den die Blumenunendlich aufgehn. Immer ist es Weltund niemals Nirgends ohne Nicht: das Reine,Unüberwachte, das man atmet undunendlich weiß und nicht begehrt.
Die Vögel jubeln – lichtgeweckt –,die blauen Weiten füllt der Schall aus;im Kaiserpark das alte Ballhausist ganz mit Blüten überdeckt.Die Sonne schreibt sich hoffnungsvollins junge Gras mit großen Lettern.Nur dorten unter welken Blätternseufzt traurig noch ein Steinapoll.Da naht ein Lüftchen, fegt im Tanzhinweg das gelbe Blattgerankeund legt um seine Stirn, die blanke,den blauenden Syringenkranz.
Mein Leben ist nicht diese steile Stunde, darin du mich so eilen siehst. Ich bin ein Baum vor meinem Hintergrunde, ich bin nur einer meiner vielen Munde und jener, welcher sich am frühsten schließt. Ich bin die Ruhe zwischen zweien Tönen, die sich nur schlecht aneinander gewöhnen: denn der Ton Tod will sich erhöhn – Aber im dunklen Intervall versöhnen sich beide zitternd. Und das Lied bleibt schön.
Ein Gespenst ist noch wie eine Stelle, dran dein Blick mit einem Klange stößt; aber da, an diesem schwarzen Felle wird dein stärkstes Schauen aufgelöst: wie ein Tobender, wenn er in vollsterRaserei ins Schwarze stampft,jählings am benehmenden Gepolster einer Zelle aufhört und verdampft.Alle Blicke, die sie jemals trafen, scheint sie also an sich zu verhehlen,um darüber drohend und verdrossen zuzuschauern und damit zu schlafen. Doch auf einmal kehrt sie, wie geweckt,ihr Gesicht und mitten in das deine: und da triffst du deinen Blick im geelen Amber ihrer runden Augensteine unerwartet wieder: eingeschlossen wie ein ausgestorbenes Insekt.
Denn, Herr, die großen Städte sindverlorene und aufgelöste;wie Flucht vor Flammen ist die größte, –und ist kein Trost, daß er sie tröste,und ihre kleine Zeit verrinnt.Da leben Menschen, leben schlecht und schwer,in tiefen Zimmern, bange von Gebärde,geängsteter denn eine Erstlingsherde;und draußen wacht und atmet deine Erde,sie aber sind und wissen es nicht mehr.Da wachsen Kinder auf an Fensterstufen,die immer in demselben Schatten sind,und wissen nicht, daß draußen Blumen rufenzu einem Tag voll Weite, Glück und Wind, – und müssen Kind sein und sind traurig Kind.Da blühen Jungfrauen auf zum Unbekanntenund sehnen sich nach ihrer Kindheit Ruh;das aber ist nicht da, wofür sie brannten,und zitternd schließen sie sich wieder zu.Und haben in verhüllten Hinterzimmerndie Tage der enttäuschten Mutterschaft,der langen Nächte willenloses Wimmernund kalte Jahre ohne Kampf und Kraft.Und ganz im Dunkel stehn die Sterbebetten,und langsam sehnen sie sich dazu hin;und sterben lange, sterben wie in Kettenund gehen aus wie eine Bettlerin.
Und du wartest, erwartest das Eine,das dein Leben unendlich vermehrt;das Mächtige, Ungemeine,das Erwachen der Steine,Tiefen, dir zugekehrt.Es dämmern im Bücherständerdie Bände in Gold und Braun;und du denkst an durchfahrene Länder,an Bilder, an die Gewänderwiederverlorener Fraun.Und da weißt du auf einmal: das war es.Du erhebst dich, und vor dir stehteines vergangenen JahresAngst und Gestalt und Gebet.
Wie meine Träume nach dir schrein.Wir sind uns mühsam fremd geworden,jetzt will es mir die Seele morden,dies arme, bange Einsamsein.Kein Hoffen, das die Segel bauscht.Nur diese weite, weiße Stille,in die mein tatenloser Willein atemlosem Bangen lauscht.