Am nächtigen Himmel Ein Drängen und Dehnen, Wolkengewimmel In hastigem Sehnen, In lautloser Hast – Von welchem Zug Gebietend erfaßt? – Gleitet ihr Flug, Es schwankt gigantisch Im Mondesglanz Auf meiner Seele Ihr Schattentanz, Wogende Bilder, Kaum noch begonnen, Wachsen sie wilder, Sind sie zerronnen, Ein loses Schweifen ... Ein Halb-Verstehn ... Ein Flüchtig-Ergreifen ... Ein Weiterwehn ... Ein lautloses Gleiten, Ledig der Schwere, Durch aller Weiten Blauende Leere.
Was ist die Welt? Ein ewiges Gedicht,Daraus der Geist der Gottheit strahlt und glüht,Daraus der Wein der Weisheit schäumt und sprüht,Daraus der Laut der Liebe zu uns spricht,Und jedes Menschen wechselndes Gemüth,Ein Strahl ist´s, der aus dieser Sonne bricht,Ein Vers, der sich an tausend and´re flicht,Der unbemerkt verhallt, verlischt, verblüht.Und doch auch eine Welt für sich allein,Voll süß-geheimer, nie vernomm´ner Töne,Begabt mit eig´ner, unentweihter Schöne,Und keines Andern Nachhall, Widerschein.Und wenn du gr zu lesen drin verstündest,Ein Buch, das du im Leben nicht ergründest.
Lieben, Hassen, Hoffen, Zagen,Alle Lust und alle Qual,Alles kann ein Herz ertragen,Einmal um das andere Mal.Aber weder Lust noch Schmerzen,Abgestorben auch der Pein,Das ist tödlich deinem HerzenUnd so darfst du mir nicht sein.Mußt dich aus dem Dunkeln heben,Wär es auch um neue Qual,Leben mußt du, liebes Leben,Leben noch dies eine Mal!
I.Die Blüten schlafen am BaumeIn schwüler, flüsternder Nacht,Sie trinken in duftigem TraumeDie flimmernde, feuchte Pracht.Sie trinken den lauen Regen,Den glitzernden Mondenschein,Sie zittern dem Licht entgegen,Sie saugen es taumelnd ein:Sie sprengen die schweigende HülleUnd gleiten berauscht durch die LuftUnd sterben an der FülleVon Glut und Glanz und Duft.Das war die Nacht der Träume,Der Liebe schwül gärende Nacht,Da sind mit den Knospen der BäumeAuch meine Lieder erwacht.Sie sprengten die schweigende HülleUnd glitten berauscht durch die LuftUnd starben an der FülleVon Glut und Glanz und Duft.
Wohl mir, mein müder GeistWird wieder Staub,Wird, wie der Weltlauf kreist,Wurzel und Laub;Wird sich des keimenden Daseins freuen,Frühlingstriebe still erneuen,Saftige Früchte zur Erde streuen;Freilich sein spreitendes Dach zu belauben,Wird er andern die Säfte rauben,Andern stehlen Leben und Lust:Wohl mir, er frevelt unbewußt!
Jede Seele, sie durchwandelt der Geschöpfe Stufenleiter:Formentauschend, rein und reiner, immer höher, hell und heiter,Lebt sie fort im Wurm, im Frosche, im Vampir, im niedern Sklaven,Dann im Tänzer, im Poet, im Trunkenbold, im edlen Streiter ...Sehet: eine gleiche Reihe Seelenhüllen, TruggestaltenMuß der Dichtergeist durchwandeln, stets verklärter, stets befreiter:Und er war im Werden Gaukler, war Vampir und war Brahmane,Leere Formen läßt er leblos und strebt höher, wahrer, weiter ...Aber wissend seines Werdens, hat er werdend auch erschaffen:Hat Gestalten nachgebildet der durchlaufnen Wesensleiter:Den Vampir, den niedern Sklaven, Gaukler, Trunkenbold und Streiter.
Der wandernde Wind auf den WegenWar angefüllt mit süßem Laut,Der dämmernde rieselnde RegenWar mit Verlangen feucht betaut.Das rinnende rauschende WasserBerauschte verwirrend die StimmenDer Träume, die blasser und blasserIm schwebenden Nebel verschwimmen.Der Wind in den wehenden Weiden,Am Wasser der wandernde Wind,Berauschte die sehnenden Leiden,Die in der Dämmerung sind.Der Weg im dämmernden Wehen,Er führte zu keinem Ziel,Doch war er gut zu gehenIm Regend, der rieselnd fiel.
War der Himmel trüb und schwer,Waren einsam wir so sehrVoneinander abgeschnitten!Aber das ist nun nicht mehr:Lüfte fließen hin und her;Und die ganze Welt inmittenGlänzt, als ob sie gläsern wär.Sterne kamen aufgegangen,Flimmern mein und deinen Wangen,Und sie wissen´s auch:Stark und stärker wird ihr Prangen;Und wir atmen mit Verlangen,Liegen selig wie gefangen,Spüren eins des andern Hauch.
Noch spür ich ihren Atem auf den Wangen:Wie kann das sein, daß diese nahen TageFort sind, für immer fort, und ganz vergangen?Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt,Und viel zu grauenvoll, als daß man klage:Daß alles gleitet und vorüberrinnt.Und daß mein eigenes Ich, durch nichts gehemmt,Herüberglitt aus einem kleinen Kind,Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd.Dann: daß ich auch vor hundert Jahren warUnd meine Ahnen, die im Totenhemd,Mit mir verwandt sind wie mein eigenes Haar,So eins mit mir als wie mein eignes Haar.
Wenn endlich Juli würde anstatt März,Nichts hielte mich, ich nähme einen Rand, Zu Pferd, zu Wagen oder mit der Bahn Käm ich hinaus ins schöne Hügelland.Da stünden Gruppen großer Bäume nah, Platanen, Rüster, Ahorn oder Eiche: Wie lang ists, daß ich keine solchen sah!Da stiege ich vom Pferde oder riefe Dem Kutscher: Halt! und ginge ohne Ziel Nach vorwärts in des Sommerlandes Tiefe.Und unter solchen Bäumen ruht ich aus; In deren Wipfel wäre Tag und Nacht Zugleich, und nicht so wie in diesem Haus,Wo Tage manchmal öd sind wie die Nacht Und Nächte fahl und lauernd wie der Tag. Dort wäre Alles Leben, Glanz und Pracht.Und aus dem Schatten in des Abendlichts Beglückung tret ich, und ein Hauch weht hin, Doch nirgend flüsterts: »Alles dies ist nichts.«Das Tal wird dunkel. und wo Häuser sind, Sind Lichter, und das Dunkel weht mich an, Doch nicht vom Sterben spricht der nächtige Wind.Ich gehe übern Friedhof hin und sehe Nur Blumen sich im letzten Scheine wiegen, Von gar nichts anderm fühl ich eine Nähe.Und zwischen Haselsträuchern, die schon düstern, Fließt Wasser hin, und wie ein Kind, so lausch ich Und höre kein »Dies ist vergeblich« flüstern!Da ziehe ich mich hurtig aus und springe Hinein, und wie ich dann den Kopf erhebe, Ist Mond, indes ich mit dem Bächlein ringe.Halb heb ich mich aus der eiskalten Welle, Und einen glatten Kieselstein ins Land Weit schleudernd, steh ich in der Mondeshelle.Und auf das mondbeglänzte Sommerland Fällt weit ein Schatten: dieser, der so traurig Hier nickt, hier hinterm Kissen an der Wand?So trüb und traurig, der halb aufrecht kauert Vor Tag und böse in das Frühlicht starrt Und weiß, daß auf uns beide etwas lauert?Er, den der böse Wind in diesem März So quält, daß er die Nächte nie sich legt, Gekrampft die schwarzen Hände auf sein Herz?Ach, wo ist Juli und das Sommerland!