Das tut sich wohl des öftern begeben:Mal beginnt jeder sein ganzes Lebenvon neuem. Wirft hin, was er nur kann,und fängt alles wieder von vorne an,mit gänzlich neuer Melodie ...Die Franzosen nennens ›refaire sa vie‹. Refaire sa vie ... das ist gar nicht einfach.Refaire sa vie ... ist leider mein Fach.Dazu sind wir zu gebrauchen ...Refaire sa vie ... ist wie Pfeifen anrauchen.Du glaubst erst gar nicht, daß es sich lohnt.Der Tabak schmeckt schwer und ungewohnt –es legt sich das Nikotin auf den Magen,du hast über Seelen- und Bauchweh zu klagen;das macht:das Ding ist nicht abgenutzt,und die Pfeife ist viel zu wenig verschmutzt.Aber so eine zwei, drei Jahr –da schmeckt die Pfeife wunderbar.Ihr Hals ist dir so vertraut gebogen,das Holz ist voller Tabak gesogenbis zur letzten Faser. Und du kratzt nichts ab.Diese Pfeife nimmst du ins Grab ...Bis zur nächsten. Bis zur nächsten Ecke.Da krauchst du hervor aus deinem Verstecke,der Boden bekommt eine neue Schichtung,das Leben nimmt eine neue Richtung –Und du bist ein Kerl und ganzer Mannund steckst eine neue Pfeife an.Wenn du einmal am Ende stehst,wenn du die letzte Wende gehst,wenn du dann klug bist, blickst zu zurück, auf das ganze geschlängelte Stück.So viel Pfeifen! Viel Änderungen!So oft hast du eine neue geschwungen!Und hast die Neue genützt?Seife.Es war immer dieselbe Pfeife.
Wenn du mal gar nicht weiter weißt,dann sag: Mythos.Wenn dir der Faden der Logik reißt,dann sag: Logos.Und hast du nichts in deiner Tasse,dann erzähl was vom tiefen Geheimnis der Rasse.So erreichst du, daß keiner, wie er auch giert,dich je kontrolliert.Willst du diskret die Leute angeilen,dann sag: Eros.Sehr viel Bildung verleiht deinen Zeilen:Dionysos.Aber am meisten tun dir bietendie katholischen Requisiten.Tu fromm – du brauchst es gar nicht zu sein.Sie fallen drauf rein.Machs wie die Literatur-Attachés:nimm ein Diarium.Die Hauptsache eines guten Essaysist das Vokabularium.Eros und Mythos hats immer gegeben,doch noch nie so viele, die von ihnen leben ...So kommst du spielend – immer schmuse du nur! –in die feinere deutsche Literatur.
In stiller Nacht und monogamen Bettendenkst du dir aus, was dir am Leben fehlt.Die Nerven knistern. Wenn wir das doch hätten,was uns, weil es nicht da ist, leise quält.Du präparierst dir im Gedankengangedas, was du willst – und nachher kriegst das nie ...Man möchte immer eine große Lange,und dann bekommt man eine kleine Dicke –C´est la vie – !Sie muß sich wie in einem Kugellagerin ihren Hüften biegen, groß und blond.Ein Pfund zu wenig – und sie wäre mager,wer je in diesen Haaren sich gesonnt ...Nachher erliegst du dem verfluchten Hange,der Eile und der Phantasie.Man möchte immer eine große Lange,und dann bekommt man eine kleine Dicke –Ssälawih – !Man möchte eine helle Pfeife kaufenUnd kauft die dunkle – andere sind nicht da.Man möchte jeden Morgen dauerlaufenund tut es nicht. Beinah ... beinah ...Wir dachten unter kaiserlichem Zwangean eine Republik ... und nun ist´s die!Man möchte immer eine große Lange,und dann bekommt man eine kleine Dicke –Ssälawih – !
– Ja! –– Nein! –– Wer ist schuld?Du! –– Himmeldonnerwetter, laß mich in Ruh! –– Du hast Tante Klara vorgeschlagen!Du läßt dir von keinem Menschen was sagen!Du hast immer solche Rosinen!Du willst bloß, ich soll verdienen, verdienen –Du hörst nie. Ich red dir gut zu.....Wer ist schuld? –– Du! –– Nein. –– Ja. –– Wer hat den Kindern das Rodeln verboten?Wer schimpft den ganzen Tag nach Noten?Wessen Hemden muß ich stopfen und plätten?Wem passen wieder nicht die Betten?Wen muß man vorn und hinten bedienen?Wer dreht sich um nach allen Blondinen?Du! –– Nein. –– Ja. –– Wem ich das erzähle…!Ob mir das einer glaubt! -– Und überhaupt! –– Und überhaupt! –– Und überhaupt! –Ihr meint kein Wort von dem, was ihr sagt:Ihr wißt nicht, was euch beide plagt.Was ist der Nagel jeder Ehe?Zu langes Zusammensein und zu große Nähe.Menschen sind einsam. Suchen den andern.Prallen zurück, wollen weiter wandern…Bleiben schließlich ... Diese Resignation:Das ist die Ehe. Wird sie euch monoton?Zankt euch nicht und versöhnt euch nicht:Zeigt euch ein Kameradschaftsgesichtund macht das Gesicht für den bösen Streitlieber, wenn ihr alleine seid.Gebt Ruhe, ihr Guten! Haltet still.Jahre binden, auch wenn man nicht will.Das ist schwer: ein Leben zu zwein.Nur eins ist noch schwerer: einsam sein.
Fahre mit der Eisenbahn,fahre, Junge, fahre!Auf dem Deck vom Wasserkahnwehen deine Haare.Tauch in fremde Städte ein,lauf in fremde Gassen;höre fremde Menschen schrein,trink aus fremden Tassen.Flieh Betrieb und Telefon,grab in alten Schmökern,sieh am Seinekai, mein Sohn,Weisheit still verhökern.Lauf in Afrika umher,reite durch Oasen;lausche auf ein blaues Meer,hör den Mistral blasen!Wie du auch die Welt durchflitztohne Rast und Ruh –:Hinten auf dem Puffer sitztdu.
Morgens, vom letzten Schlaf ein Stück,nimm mich ein bißchen mit –auf deinem Traumboot zu gleiten ist Glück –Die Zeituhr geht ihren harten Schritt ...pick-pack ...»Sie schläft mit ihm« ist ein gutes Wort.Im Schlaf fließt das Dunkel zusammen.Zwei sind keins. Es knistern die kleinen Flammen,aber dein Atem fächelt sie fort.Ich bin aus der Welt. Ich will nie wieder in sie zurück –jetzt, wo du nicht bist, bist du ganz mein.Morgens, im letzten Schlummer ein Stück,kann ich dein Gefährte sein.
Daß man nicht alle haben kann –!Wie gerne möcht ich ErnestinenAls Schemel ihrer Lüste dienen!Und warum macht mir Magdalene,Wenn ich sie frage, eine Szene?Von jener Lotte ganz zu schweigen –Ich tät mich ihr als Halbgott zeigen.Doch bin ich schließlich ein Stück Mann...Daß man nicht alles haben kann –!Gewiß: der Spiegel ist etwas alt.Ich weiß, daß zwischen Spree und ElbeDas Dramolet je stets dasselbe,Doch denk ich alle, alle Male:Entfern ich diesmal nur die Schale –Was wird sich deinen Blicken zeigen?Was ist, wenn diese Lippen schweigen?Nur diesmal greifts mich mit Gewalt...(Gewiß: das Spiel ist etwas alt.)Daß man nicht alles haben kann –!Das läßt sich zeitlich auch nicht machen...Ich weiß, jetzt wirst du wieder lachen!Ich komm doch stets nach den ExzessenZu Dir und kann dich nicht vergessen.So gib mir denn nach langem WandernDie Summe aller jener andern.Sei du die Welt für einen Mann...Weil er nicht alle haben kann.
Die Jungfrau in der Nebenstuben –ich frage mich, was tut sie nur?Ich hör die Stimme eines Buben –so spät am Abend? Um elf Uhr?Wie er mutiert! Und ihre Stimmenverklingen sacht – sie murmeln leis.Bin ich der Zeuge einer schlimmenVerbrechertat? Wer weiß! Wer weiß!Sie spricht ihm gütig zu. Belehrendertönt ihr lieblicher Sopran.Er lacht: »Jawohl!« Dies ist erschwerend!Was wird dem Knaben nur getan?Sind das nicht halberstickte Küsse?Ich frag sie später, was sei treibt ...Sie sagt: »Die geistigen Genüsse,sie bringen nichts als Kümmernisse.Es ist das einzige, was mir bleibt!«
Wenn aber Christus, der gesagt hat: "Du sollst nicht töten!"an seinem Kreuz sehen muß, wie sich die Felder blutig röten;wenn die Pfaffen Kanonen und Flugzeuge segnenund in den Feldgottesdiensten beten, daß es Blut möge regnen;und wenn die Vertreter Gottes auf ErdenSoldaten-Hämmel treiben, auf daß sie geschlachtet werden;Und wenn die Glocken läuten: "Mord!" und die Choräle hallen:"Mord! Ihr sollt eure Feinde niederknallen!"Und wenn jemand so verrät den Gottessohn –Das ist keine Schande.Das ist Religion.
Ja, das möchtste:Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn –aber abends zum Kino hast du´s nicht weit.Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:Neun Zimmer, – nein, doch lieber zehn!Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,Radio, Zentralheizung, Vakuum,eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,eine süße Frau voller Rasse und Verve –(und eine fürs Wochenend, zur Reserve) –,eine Bibliothek und drumherumEinsamkeit und Hummelgesumm.Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste,acht Autos, Motorrad – alles lenkstenatürlich selber – das wär ja gelacht!Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.Ja, und das hab ich ganz vergessen:Prima Küche – erstes Essen –alte Weine aus schönem Pokal –und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.Und noch ne Million und noch ne Million.Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.Ja, das möchtste!Aber, wie das so ist hienieden:manchmal scheints so, als sei es beschiedennur pöapö, das irdische Glück.Immer fehlt dir irgendein Stück.Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;hast du die Frau, dann fehln die Moneten –hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.Etwas ist immer.Tröste dichJedes Glück hat einen kleinen Stich.Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.Daß einer alles hat:das ist selten.