An meinem Todestag – ich werd ihn nicht erleben –da soll es mittags Rote Grütze geben,mit einer fetten, weißen Sahneschicht ...Von wegen: Leibgericht. Mein Kind, der Ludolf, bohrt sich kleine Dingeraus seiner Nase – niemand haut ihm auf die Finger.Er strahlt, als einziger, im Trauerhaus.Und ich lieg da und denk: "Ach, polk dich aus!" Dann tragen Männer mich vors Haus hinunter.Nun faßt der Karlchen die Blondine unter,die mir zuletzt noch dies und jenes lieh ...Sie findet: Trauer kleidet sie. Der Zug ruckt an. Und alle Damen,die jemals, wenn was fehlte, zu mir kamen:vollzählig sind sie heut noch einmal da ...Und vorne rollt Papa. Da fährt die erste, die ich damals ohnedie leiseste Erfahrung küßte – die Matronesitzt schlicht im Fond, mit kleinem Trauerhut.Altmodisch war sie – aber sie war gut. Und Lotte! Lottchen mit dem kleinen Jungen!Briefträger jetzt! Wie ist mir der gelungen?Ich sah ihn nie. Doch wo er immer schritt:mein Postscheck ging durch sechzehn Jahre mit. Auf rotem samtnen Kissen, im Spaliere,da tragen feierlich zwei Reichswehroffizieredie Orden durch die ganze Stadtdie mir mein Kaiser einst verliehen hat. Und hinterm Sarg mit seinen Silberputten,da schreiten zwoundzwonzig Nutten –sie schluchzen innig und mit viel System.Ich war zuletzt als Kunde sehr bequem. Das Ganze halt! Jetzt wird es dionysisch!Nun singt ein Chor: Ich lächle metaphysisch.Wie wird die schwarzgestrichne Kiste groß!Ich schweige tief.Und bin mich endlich los.
Einmal müssen zwei auseinandergehn;einmal will einer den andern nicht mehr verstehn –einmal gabelt sich jeder Weg - und jeder geht allein –wer ist daran schuld?Es gibt keine Schuld. Es gibt nur den Ablauf der Zeit.Solche Straßen schneiden sich in der Unendlichkeit.Jedes trägt den andern mit sich herum –etwas bleibt immer zurück.Einmal hat es euch zusammengespült,ihr habt euch erhitzt, seid zusammengeschmolzen,und dann erkühlt –Ihr wart euer Kind. Jede Hälfte sinkt nun herab –:ein neuer Mensch.Jeder geht seinem kleinen Schicksal zu.Leben ist Wandlung. Jedes Ich sucht ein Du.Jeder sucht seine Zukunft. Und geht nun mit stockendem Fuß,vorwärtsgerissen vom Willen, ohne Erklärung und ohne Grußin ein fernes Land.
Der Name ists, der Menschen zieret,weil er das Erdenpack sortieret –bist du auch dämlich, schief und krumm:Du bist ein Individuum.Hier sieht man nun den Dichter walten.Er schafft nicht nur die Dichtgestalten,nein, er benamset auch sein Kind –und nennt es Borkman oder Gynt.Wie aber, wenn er in den Dramengediegne bürgerliche Namenbenutzt und jener Bürger klagt,damits der Richter untersagt?»Du wirst dich von dem Namen trennen!Mußt du ihn grade Barnhelm nennen?«Der Richter schüttelt das Barrett:»Der Name macht den Kohl nicht fett!«Und kurz: Wir werden was ertragen!Schon sieht man Doktor Tassow klagen,mit ihm in trautestem Vereinden Grünkramhändler Wallenstein.Dem Dichter fällt in seine Leierauch der Ap´theker Florian Geyer –Dem Dichter grausts mit einem Mal:Er numeriert sein Personal.Wie nennt man nun die Rechtsgelehrten,die uns mit diesem Spruch beehrten?wie nennt man also dies Gericht?Hier weiß ich keinen Namen nicht.
Sinnend geh ich durch den Garten,still gedeiht er hinterm Haus;Suppenkräuter, hundert Arten,Bauernblumen, bunter Strauß.Petersilie und Tomaten,eine Bohnengalerie,ganz besonders ist geratender beliebte Sellerie.Ja, und hier – ? Ein kleines Wieschen?Da wächst in der Erde leisdas bescheidene Radieschen:außen, rot und innen weiß.Sinnend geh ich durch den Gartenunsrer deutschen Politik;Suppenkohl in allen Artenim Kompost der Republik.Bonzen, Brillen, Gehberockte,Parlamentsroutinendreh …Ja, und hier – ? Die ganz verbockteliebe gute SPD.Hermann Müller, Hilferlieschenblühn so harmlos, doof und leiswie bescheidene Radieschen:außen rot und innen weiß.
Er wohnt am Rand der reichen Leute,verkehrt mit Adel und heißt Schmidt.Den Schlips von morgen trägt er heuteund fährt in fremden Autos mit. Er lebt in einem ihm fremden Stile – Fauler Kopp! Fauler Snob! Aber davon gibts viele.Er selbst hat nur ein kleines Zimmer,als Untermieter bei Frau Schay.Doch geht er aus, dann tut er immer,als wär er aufgewachsen bei. Von der Socke bis zum gescheitelten Haar: es ist alles nicht wahr - es ist alles nicht wahr!Er ist so gerne eingeladen:er reckt an Kaufmann und Bankier.Er weiß, am Lido muß man baden,er grüßt im Ritz den Herrn Portier. Er nassauert elegant und beflissen vor fremden Kulissen.Was er auch hat, das hat er gratis.Er läuft mit der Society.Er kennt die feinsten Cocktail-Parties.Nur seine Lage kennt er nie. Bald kunstgewerblicher Friseur, bald Redakteur ... so sehn wir ihn gestern, morgen und heute: ein Affe. Ein Affe der reichen Leute.
Der Teufel hol den schwarzen Kaffee, wieviel Uhr mags denn sein?Ich kann ja nicht, kann ja nicht schlafen!Und neben mir der alte Affe schläft immer gleich ein,und ich kann nicht, ich kann nicht schlafen!Ich bin ja noch munter und plage michund guck an mir runter und frage mich:Sind das meine Beine – oder sind das seine Beine –oder sind das unsre Beine – oder wie?Mensch, schlaf nicht – schlaf bloß nicht – in Kompagnie!Da liegen viele Zeitungsnummern und ein Buch übern Tanz…was nützt es denn, wenn ich noch lese?Kann einer nämlich nicht entschlummern, und der andre, der kanns – :dann wird man, dann wird man so beese…Seh ich ihn so schlafen, dann will ich das auch.Und er stößt mir die Beine in meinen Bauch…Sind das meine Beine – oder sind das seine Beine - oder sind das unsre Beine – oder wie…?Mensch, schlaf bloß nicht – schlaf bloß nicht – in Kompagnie!Das ist die Hölle wie von Dante - der Mann ist so roh!Die Decke, die ist immer seine....Ich kipple ängstlich auf der Kante –mal so und mal so –man denkt, man hat siebenhundert Beine.Seh ich mir so an, welcher Haarwuchs ihn ziert:es wär Zeit´ daß er sich mal die Beine rasiert…Sind das meine Beine – oder sind das seine Beine - oder sind das unsre Beine – oder wie…?Mensch, schlaf bloß nicht – schlaf bloß nicht – in Kompagnie!Als kleine Mädchen, bunt bebändert –hatten wir einen Wunsch:Für die Nacht einen leiblichen Grafen!Inzwischen hat sich das geändert –ich zieh einen Flunsch –ich kann ja zu zwein doch nicht schlafen!Ich wünsch mir nur eines, aber das wünsch ich sehr:ich möcht mal allein sein – dann fragt ich nicht mehr:Wem gehört denn – wem gehört denn –wem gehört denn das Bein!Lieben: ja. Aber schlafen? Allein … !
Wenn was nicht klappt, dann wird vor allem mal nicht berappt. Wir setzen frisch und munter die Löhne, die Löhne herunter - immer runter! Wir haben bis über die Ohren bei unsern Geschäften verloren... Unser Geld ist in allen Welten: Kapital und Zinsen und Zubehör. So lassen wir denn unser großes Malheur nur einen, nur einen entgelten: Den, der sich nicht mehr wehren kann. Den Angestellten, den Arbeitsmann; den Hund, den Moskau verhetzte, dem nehmen wir nun das Letzte. Arbeiterblut muß man keltern. Wir sparen an den Gehältern - immer runter! Unsre Inserate sind nur noch ein Hohn. Was braucht denn auch die deutsche Nation sich Hemden und Stiefel zu kaufen? Soll sie doch barfuß laufen! Wir haben im Schädel nur ein Wort: Export! Export! Was braucht ihr eigenen Hausstand? Unsre Kunden wohnen im Ausland! Für euch gibts keine Waren. Für euch heißts: sparen! sparen! Nicht wahr, ein richtiger Kapitalist hat verdient, als es gut gegangen ist. Er hat einen guten Magen. Wir mußten das Risiko tragen... Wir geben das Risiko traurig und schlapp inzwischen in der Garderobe ab. Was macht man mit Arbeitermassen? Entlassen! Entlassen! Entlassen! Wir haben die Lösung gefunden: Krieg den eigenen Kunden! Dieweil der deutsche Kapitalist Gemüt hat und Exportkaufmann ist. Wußten Sie das nicht schon früher -? Gott segne die Wirtschaftsführer!
Wenn du zur Arbeit gehst am frühen Morgen, wenn du am Bahnhof stehst mit deinen Sorgen: dann zeigt die Stadt dir asphaltglatt im Menschentrichter Millionen Gesichter: Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider – Was war das? Vielleicht dein Lebensglück... vorbei, verweht, nie wieder.Du gehst dein Leben lang auf tausend Straßen; du siehst auf deinem Gang, die dich vergaßen. Ein Auge winkt, die Seele klingt; du hast´s gefunden, nur für Sekunden... Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider – Was war das? Kein Mensch dreht die Zeit zurück... vorbei, verweht, nie wieder.Du mußt auf deinem Gang durch Städte wandern; siehst einen Pulsschlag lang den fremden Andern. Es kann ein Feind sein, es kann ein Freund sein, es kann im Kampfe dein Genosse sein. Es sieht hinüber und zieht vorüber... Zwei fremde Augen, ein kurzer Blick, die Braue, Pupillen, die Lider – Was war das? Von der großen Menschheit ein Stück! Vorbei, verweht, nie wieder.
Über den Dächern schwebt Rauchund ein sanftes Gebimmelklingt von den Türmen der Stadt.Meine Sehnsucht fliegt in den Himmel.Wie es durch das Fenster zieht ...!Wozu arbeiten?Wozu tätig sein?Wozu in Versammlungen gehn?Ich habe nur meine beiden Hände.Was steht am Ende –?Das habe ich an Vater gesehen.Wie es durch das Fenster zieht ...!Diese Dachkammer hat der alte Mann.Dafür fünfundfünfzig JahreArbeit, keinen Tag Urlaub,Sorgen und graue Haare.Meine Gedanken hängen am Horizont –Wo ist unser Glück ...?Und da kommen plötzlich alle meine Gedanken zurück.Gleich springe ich auf die Beineund werfe die Arme um den Leib,weil mich friert ...Ich bin nicht mehr allein.Wir sind stark, wenn wir zusammenhalten:die Starken und Schwachen, die Jungen und Alten.Wenn nur der Wille fest bleibt und unsere Partei.Da bin ich dabei.Noch einmal sehe ich über die Stadtund die Dächer ...Schon mancher hat mit trocken Brot und armseligem Essenin so einer zugigen Dachkammer gesessen.Mancher, der nachher ein Reich erobert hat.
Mutter, wozu hast Du Deinen aufgezogen,Hast Dich zwanzig Jahr´ um ihn gequält?Wozu ist er Dir in Deinen Arm geflogen,Und Du hast ihm leise was erzählt?Bis sie ihn Dir weggenommen habenFür den Graben, Mutter, für den Graben!Junge, kannst Du noch an Vater denken?Vater nahm Dich oft auf seinen Arm,Und er wollt´ Dir einen Groschen schenken,Und er spielte mit Dir Räuber und GendarmBis sie ihn Dir weggenommen habenFür den Graben, Junge, für den Graben!Werft die Fahnen fort!Die Militärkapellen spielen aufZu Eurem Todestanz!Seid Ihr hin?Seid Ihr hin?Ein Kranz von Immortellen,Das ist dann der Dank des Vaterlands!Hört auf Todesröcheln und Gestöhne!Drüben stehen Väter, Mütter, Söhne,Schuften schwer, wie ihr, um´s bißchen Leben.Wollt Ihr denen nicht die Hände geben?Reicht die Bruderhand als schönste aller GabenÜber´n Graben, Leute, über´n Graben!