Den Wäldern ist zu Füßen tiefDas dürre Laub geblieben;Am Himmel steht ein ScheidebriefIns Abendrot geschrieben.Die Wasser glänzen still und kühl,Ein Herbst ist drin ertrunken;Mir ist ein schauernd GrabgefühlIns warme Herz gesunken.Du schöne Welt! muß ich wohl baldIn diese Blätter sinken,Daß andres Herz und andrer WaldDie Lebenslüfte trinken?Wenn du für dieses Herzens RaumEin Beßres weißt zu finden,Laß mich aus deinem LebenstraumRasch und auf ewig schwinden!
Der Winter ist eine ehrliche Haut,Ein alter Poldrian;Wie zornig er mir ins Auge schaut,Blick ich ihn wiederum an!Sein Blut ist kühl und starr wie Eis,Doch nie seine Treue wankt;Wie oft hab ich mich nächtlicherweisMit ihm herumgezankt!Da rüttelt er mir am GartentorUnd stampft auf den Beeten herum,Er schimpft mich einen sanguinischen Tor,Leichtgläubig und herzlich dumm!Viel Hoffnungen zieh ich in Scherben aufAm kalten Sternenschein,Da ist er besonders versessen draufUnd stürmt auf sie herein.Ich balge mich immer, so gut ich kann,Um jedes grüne Reis;Er aber entrupft sie, der harte Mann,Den Scherben büschelweis.Doch die mir der Alte stehenläßt,Die sind erprobt und gefeit!Die sind gelenzet und frühlingsfestUnd der Erfüllung geweiht!
Die Sonne führt durchs MorgentorGoldfunkelnd über den Bergen,Und wie zwei Veilchen im frühen Mai,Zwei blaue Augen klar und frei,Die lachen auf ihren WegenGeöffnet ihr entgegen. Glück auf, mein Liebchen ist erwachtMit purpurroten Wangen!Ihr Fenster glitzert im MorgenstrahlUnd alle Blumen im Garten und TalErwarten sie mit Sehnen,Die Äuglein voller Tränen. Es ist nichts Schöneres in der WeltAls diese grüne Erde,Wenn man darauf ein Schätzlein hat,Das still und innig, früh und spat,Für einen lebt und blühet,Ein heimlich Feuerlein glühet. "Hallo, du später Jägersmann,Was reibst du deine Augen?"Ich hab´ die ganze Nacht geschwärmtUnd mich am Mondenschein gewärmt,Und steige frisch und munterVom hohen Berg herunter. Mein Mädchen durch den Garten gehtUnd singt halblaute Weisen;Mich dünkt, ich kenne der Lieder Ton,Was gilt´s, ich habe sie alle schonHeut nacht dort oben gesungen!Sie sind herübergeklungen.
Wir haben deinen tiefen Gram vernommenUnd sind in deinen Garten still gekommen,Wir stimmen unsere Saiten mit Bedacht,Erwartend lauscht die laue Maiennacht.Zu deines Ungetreuen Reu´ und Leide,Zu deiner Nachbarinnen bitterm Neide,Zu deiner Mutter Stolz und stiller Lust,So wollen singen wir aus voller Brust!Zünd´ an dein Licht, daß unser Lied dich ehreUnd vor dem Sternenzelt dein Leid verkläre!Noch gibt´s manch´ Auge, das in Treuen blitzt,Manch´ Herz, das noch an rechter Stelle sitzt!Wohl selig sind, die in der Liebe leiden,Und ihrer Augen teure Perlen kleidenDie weißen Wangen mehr, als MorgentauDie Lilienkelche auf der Sommerau.Die Liebe, die um Liebe ward betrogen,Glänzt hoch und herrlich gleich dem Regenbogen;Zu seinen Füßen, die in Blumen stehn,Da liegen goldne Schüsseln ungesehn.
Es ist nicht Selbstsucht und nicht Eitelkeit,Was sehnend mir das Herz gradüber trägt;Was mir die kühngeschwungene Brücke schlägt,Ist wohl der Stolz, der mich vom Staub befreit.Sie ist so eng, die grüne Erdenzeit,Unendlich aber, was den Geist bewegt!Wie wenig ist´s, was ihr im Busen hegt,Da ihr so satt hier, so vergnüglich seid!
Liebe berauscht, sagt man.Liebe ernüchtert, sagt man.Liebe läßt klar sehen, sagt man.Liebe macht blind.Liebe verdirbt.Liebe veredelt.Liebe stärkt.Liebe schwächt.Liebe bringt Pein,und Liebe bringt Glück.Wo, wer ist jener Sagtman?Liebe macht gar nichts, erwidere ich ihm.Wir machen die Liebe zu dem, was sie uns wird.
Nun haben wir das Blau gewendetUnd frisch dem Tod ins Äug geschaut;Kein Ungewisses Ziel mehr blendet,Doch grüner scheint uns Busch und Kraut,Und wärmer ward´s in unsern Herzen,Es zeugt´s der frohgewordene Mund;Doch unsern Liedern, unsern SchmerzenLiegt auch des Scheidens Ernst zugrund.
Augen, meine lieben Fensterlein,Gebt mir schon so lange holden Schein,Lasset freundlich Bild um Bild herein:Einmal werdet ihr verdunkelt sein!Fallen einst die müden Lider zu,Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh;Tastend streift sie ab die Wanderschuh,Legt sich auch in ihre finstre Truh.Noch zwei Fünklein sieht sie glimmend stehnWie zwei Sternlein, innerlich zu sehn,Bis sie schwanken und dann auch vergehn,Wie von eines Falters Flügelwehn.Doch noch wandl ich auf dem Abendfeld,Nur dem sinkenden Gestirn gesellt;Trinkt, o Augen, was die Wimper hält,Von dem goldnen Überfluß der Welt!
Die Zeit geht nicht, sie stehet still, Wir ziehen durch sie hin; Sie ist die Karawanserei, Wir sind die Pilger drin. Ein Etwas, form- und farbenlos, Das nur Gestalt gewinnt, Wo ihr drin auf und nieder taucht, Bis wieder ihr zerrinnt. Es blitzt ein Tropfen Morgentau Im Strahl des Sonnenlichts; Ein Tag kann eine Perle sein Und ein Jahrhundert nichts. Es ist ein weißes Pergament Die Zeit, und jeder schreibt Mit seinem roten Blut darauf, Bis ihn der Strom vertreibt. An dich, du wunderbare Welt, Du Schönheit ohne End´, Auch ich schreib´ meinen Liebesbrief Auf dieses Pergament. Froh bin ich, daß ich aufgeblüht In deinem runden Kranz; Zum Dank trüb´ ich die Quelle nicht Und lobe deinen Glanz.