Wie naht das finster türmende Gewölk so schwarz und schwer! Wie jagt der Wind, der stürmende, Das Schneegestöber her! Verschwunden ist die blühende Und grüne Weltgestalt; Es eilt der Fuss, der fliehende, Im Schneefeld nass und kalt. Wohl dem, der nun zufrieden ist Und innerlich sich kennt! Dem warm ein Herz beschieden ist, Das heimlich loht und brennt! Wo, traulich sich dran schmiegend, es Die wache Seele schürt, Ein perlend, nie versiegendes Gedankenbrauwerk rührt!
Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt,Still und blendend lag der weiße Schnee,Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt,Keine Welle schlug im starren See. Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf,Bis sein Wipfel in dem Eis gefror;An den Ästen klomm die Nix´ herauf,Schaute durch das grüne Eis empor.Auf dem dünnen Glase stand ich da,Das die schwarze Tiefe von mir schied;Dicht ich unter meinen Füßen sahIhre weiße Schönheit Glied um Glied.Mit ersticktem Jammer tastet´ sieAn der harten Decke her und hin.Ich vergess´ das dunkle Antlitz nie,Immer, immer liegt es mir im Sinn!
Man merkte, daß der Wein geraten war:Der alte Bettler wankte aus dem Tor,Die Wangen glühend, wie ein Rosenflor,Mutwillig flatterte sein Silberhaar.Und vor und hinter ihm die KinderscharUmdrängt´ ihn, wie ein Klein-Bacchantenchor,D´raus ragte schwank der Selige empor,Sich spiegelnd in den hundert Äuglein klar.Am Morgen, als die Kinderlein noch schliefen,Von jungen Träumen drollig angelacht,Sah man den braunen Wald von Silber triefen.Es war ein Reif gefallen über Nacht;Der Alte lag erfroren in dem tiefenGebüsch, vom Rausch im Himmel aufgewacht.
Wie nun alles stirbt und endetUnd das letzte LindenblattMüd sich an die Erde wendetIn die warme Ruhestatt,So auch unser Tun und Lassen,Was uns zügellos erregt,Unser Lieben, unser HassenSei zum welken Laub gelegt.Reiner weißer Schnee, o schneie,Decke beide Gräber zu,Daß die Seele uns gedeiheStill und kühl in Wintersruh!Bald kommt jene Frühlingswende,Die allein die Liebe weckt,Wo der Haß umsonst die HändeDräuend aus dem Grabe streckt.
Wie schön, wie schön ist dieses kurze Leben,Wenn es eröffnet alle seine Quellen!Die Tage gleichen klaren Silberwellen,Die sich mit Macht zu überholen streben.Was gestern freudig mocht´ das Herz erheben,wir müssen´s lächelnd heute rückwärts stellen;Wenn die Erfahrungen des Geistes schwellen,Erlebnisse gleich Blumen sie durchweben.So mag man breiter stets den Strom erschauen,auch tiefer mählich sehn den Grund wir winkenUnd lernen täglich mehr der Flut vertrauen.Nun zierliche Geschirre, sie zu trinken,Leiht, Götter! uns, und Marmor, um zu bauenDen festen Damm zur Rechten und zur Linken.
Des Berges alte Wangen sindVon Maiensonne beschienen;Sie lächeln unter Quellenglanz,Die Schilfe, die Farren ergrünen.Die Kröte springt aus dem Kieselstein,Ein Hirt hat ihn zerschlagen;Sie schaut verdrossen die Scherben an,Und sie beginnt zu sagen:»Viel tausend Jahre bin ich altSamt diesem Futterale!Es schob vom hohen FelsgebirgAllmählich mit mir zu Tale.Doch manchmal in der Wasser SturzSind wir gewaltig gesprungen;Dann hat´s um meine dunkle KlausurGesungen und geklungen.Und wie mir ist – ich weiß es nicht,Noch was ich getrieben indessen;Ich hab im mindesten nichts gelerntUnd hatte nicht viel zu vergessen.Ein warmer Regen, ein grünes KrautNur konnten mir behagen;Sie liegen mir fort und fort im SinnAus fernen Jugendtagen.So hab ich ein langweilig StückUnsterblichkeit erworben;Hätt ich getrunken lebendige Luft,Längst wär ich vernünftig gestorben.«
Es ist auf Erden keine Nacht,Die nicht noch ihren Schimmer hätte,So groß ist keines Unglücks Macht,Ein Blümlein hängt an seiner Kette!Ist nur das Herz vom rechten Schlage,So baut es sich ein SternenhausUnd schafft die Nacht zum hellen Tage,Wo sonst nur Asche, Schutt und Graus.
Es ist ein stiller Regentag,So weich, so ernst, und doch so klar,Wo durch den Dämmer brechen magDie Sonne weiß und sonderbar.Ein wunderliches Zwielicht spieltBeschaulich über Berg und Tal;Natur, halb warm und halb verkühlt,Sie lächelt noch und weint zumal.Die Hoffnung, das VerlorenseinSind gleicher Stärke in mir wach;Die Lebenslust, die Todespein,Sie ziehn auf meinem Herzen Schach.Ich aber, mein bewußtes Ich,Beschau´ das Spiel in stiller Ruh,Und meine Seele rüstet sichZum Kampfe mit dem Schicksal zu.
Ein Fischlein steht am kühlen Grund,Durchsichtig fließen die Wogen,Und senkrecht ob ihm hat sein RundEin schwebender Falk gezogen.Der ist so lerchenklein zu sehnZuhöchst im Himmelsdome;Er sieht das Fischlein ruhig stehn,Glänzend im tiefen Strome!Und dieses auch hinwieder siehtIns Blaue durch seine Welle.Ich glaube gar, das Sehnen ziehtEins an des andern Stelle!
Wende dich, du kleiner Stern,Erde! wo ich lebe,Daß mein Aug´, der Sonne fern,Sternenwärts sich hebe! Heilig ist die Sternenzeit,Öffnet alle Grüfte;Strahlende UnsterblichkeitWandelt durch die Lüfte.Mag die Sonne nun bislangAndern Zonen scheinen,Hier fühl´ ich ZusammenhangMit dem All´ und Einen!Hohe Lust! im dunkeln Tal,Selber ungesehen,Durch den majestät´schen SaalAtmend mitzugehen!Schwinge dich, o grünes Rund,In die Morgenröte!Scheidend rückwärts singt mein MundJubelnde Gebete