Siehst du den Stern im fernsten Blau?Der flimmernd fast erbleicht?Sein Licht braucht eine Ewigkeit,Bis es dein Aug´ erreicht.Vielleicht vor tausend Jahren schonZu Asche stob der Stern;Und doch steht dort sein milder ScheinNoch immer still und fern.Dem Wesen solchen Scheines gleicht,Der ist und doch nicht ist,O Lieb, dein anmutvolles Sein,Wenn du gestorben bist.
O Erde, du gedrängtes Meer Unzähliger Gräberwogen, Wie viele Schifflein kummerschwer Hast du hinuntergezogen, Hinab in die wellige grünende Flut, Die reglos starrt und doch nie ruht! Ich sah einen Nachen von Tannenholz, Sechs Bretter von Blumen umwunden, Drin lag eine Schifferin bleich und stolz, Sie ist versunken, verschwunden! Die Leichte fuhr so tief hinein, Und oben blieb der schwere Stein! Ich wandle wie Christ auf den Wellen frei, Als die zagenden Jünger ihn riefen; Ich senke mein Herz wie des Lotsen Blei Hinab in die schweigenden Tiefen; Ein schmales Gitter von feinem Gebein, Das liegt dort unten und schließt es ein. Die Trauerweide umhüllt mich dicht, Rings fließt ihr Haar aufs Gelände, Verstrickt mir die Füße mit Kettengewicht Und bindet mir Arme und Hände: Das ist jene Weide von Eis und Glas, Hier steht sie und würgt mich im grünen Gras.
Die Zeit geht nicht, sie stehet still, Wir ziehen durch sie hin; Sie ist die Karawanserei, Wir sind die Pilger drin. Ein Etwas, form- und farbenlos, Das nur Gestalt gewinnt, Wo ihr drin auf und nieder taucht, Bis wieder ihr zerrinnt. Es blitzt ein Tropfen Morgentau Im Strahl des Sonnenlichts; Ein Tag kann eine Perle sein Und ein Jahrhundert nichts. Es ist ein weißes Pergament Die Zeit, und jeder schreibt Mit seinem roten Blut darauf, Bis ihn der Strom vertreibt. An dich, du wunderbare Welt, Du Schönheit ohne End´, Auch ich schreib´ meinen Liebesbrief Auf dieses Pergament. Froh bin ich, daß ich aufgeblüht In deinem runden Kranz; Zum Dank trüb´ ich die Quelle nicht Und lobe deinen Glanz.
Es ist nicht Selbstsucht und nicht Eitelkeit,Was sehnend mir das Herz gradüber trägt;Was mir die kühngeschwungene Brücke schlägt,Ist wohl der Stolz, der mich vom Staub befreit.Sie ist so eng, die grüne Erdenzeit,Unendlich aber, was den Geist bewegt!Wie wenig ist´s, was ihr im Busen hegt,Da ihr so satt hier, so vergnüglich seid!
Die Sonne führt durchs MorgentorGoldfunkelnd über den Bergen,Und wie zwei Veilchen im frühen Mai,Zwei blaue Augen klar und frei,Die lachen auf ihren WegenGeöffnet ihr entgegen. Glück auf, mein Liebchen ist erwachtMit purpurroten Wangen!Ihr Fenster glitzert im MorgenstrahlUnd alle Blumen im Garten und TalErwarten sie mit Sehnen,Die Äuglein voller Tränen. Es ist nichts Schöneres in der WeltAls diese grüne Erde,Wenn man darauf ein Schätzlein hat,Das still und innig, früh und spat,Für einen lebt und blühet,Ein heimlich Feuerlein glühet. "Hallo, du später Jägersmann,Was reibst du deine Augen?"Ich hab´ die ganze Nacht geschwärmtUnd mich am Mondenschein gewärmt,Und steige frisch und munterVom hohen Berg herunter. Mein Mädchen durch den Garten gehtUnd singt halblaute Weisen;Mich dünkt, ich kenne der Lieder Ton,Was gilt´s, ich habe sie alle schonHeut nacht dort oben gesungen!Sie sind herübergeklungen.
Welch lieblich Wunder nimmt mein Auge wahr?Dort fließt ein Brünnlein, gar so frisch und klar,ein holzgeschnitzter Meergott gießt den Trankin eine ausgehöhlte Eichenbank!Der Westwind hat die Glut herangeweht,der alte Gott in vollen Flammen steht,und aus der Feuersäule quillt der Schwall,des Wasserstrahls lebendiger Kristall!Wie fröhlich tönt der schöne Silberstrang,gleich jenem Kleeblatt, das im Feuer sang!Du klares Leben, ew´ger Wellenschlag,was sendet aus der Tiefe dich zu Tag?Ich glaubt´, ein Brunnenhaus sei feuerfest,nun ist ein Häuflein Kohle hier der Rest!Die Quelle aber rieselt frisch und reinauch über Kohlen in die Welt hinein.Wer weiß, wie lange schon der Bergquell springt?Wer weiß, wie lang´ er noch zu Lichte dringt?Auf, schnitzelt einen neuen Brunnenmann,der wieder hundert Jahr ihn fassen kann!
Nun haben wir das Blau gewendetUnd frisch dem Tod ins Äug geschaut;Kein Ungewisses Ziel mehr blendet,Doch grüner scheint uns Busch und Kraut,Und wärmer ward´s in unsern Herzen,Es zeugt´s der frohgewordene Mund;Doch unsern Liedern, unsern SchmerzenLiegt auch des Scheidens Ernst zugrund.
Es war ein heitres goldnes Jahr,Nun rauscht das Laub im Sande,Und als es noch in Knopsen war,Da ging sie noch im Lande.Besehen hat sie Berg und TalUnd unsrer Ströme Wallen;Es hat im jungen SonnenstrahlIhr alles wohlgefallen.Ich weiß in meinem VaterlandNoch manchen Berg, o Liebe,Noch manches Tal, das Hand in HandUns zu durchwandern bliebe.Noch manches schöne Tal kenn´ ichVoll dunkelgrüner Eichen; –O fernes Herz, besinne dichUnd gib ein leises Zeichen!Da eilte sie voll Freundlichkeit,Die Heimat zu erlangen –Doch irrend ist sie allzu weitUnd aus der Welt gegangen.
Wie naht das finster türmende Gewölk so schwarz und schwer! Wie jagt der Wind, der stürmende, Das Schneegestöber her! Verschwunden ist die blühende Und grüne Weltgestalt; Es eilt der Fuss, der fliehende, Im Schneefeld nass und kalt. Wohl dem, der nun zufrieden ist Und innerlich sich kennt! Dem warm ein Herz beschieden ist, Das heimlich loht und brennt! Wo, traulich sich dran schmiegend, es Die wache Seele schürt, Ein perlend, nie versiegendes Gedankenbrauwerk rührt!
Nicht ein Flügelschlag ging durch die Welt,Still und blendend lag der weiße Schnee,Nicht ein Wölklein hing am Sternenzelt,Keine Welle schlug im starren See. Aus der Tiefe stieg der Seebaum auf,Bis sein Wipfel in dem Eis gefror;An den Ästen klomm die Nix´ herauf,Schaute durch das grüne Eis empor.Auf dem dünnen Glase stand ich da,Das die schwarze Tiefe von mir schied;Dicht ich unter meinen Füßen sahIhre weiße Schönheit Glied um Glied.Mit ersticktem Jammer tastet´ sieAn der harten Decke her und hin.Ich vergess´ das dunkle Antlitz nie,Immer, immer liegt es mir im Sinn!