Er ging durch alte Winkelgäßchen,im schlappen Hut, in faltigem Rock.Ein kleines Bäuchlein wie ein Fäßchen... nicht jung mehr ... graues Stirngelock ...Vergaß er auch sein Regendach,man raunte: »Der versteht sein Fach!«Ein stilles, manchmal tiefes Gewässer:der alte Professor.Und heut? Im lauten Weltgebrausebewegt sich der Privatdozent.Er redet in und außerm Hausevon Politik mit viel Talent.Beziehungen zur Industriesind sehr beliebt, drum hat man sie.Wild fuchtelnd fordert den Krieg bis aufs Messerder neue Professor.Man sagt, weltfremd sei er gewesen.Wie sind sie heute so gewandt!Man sagt: er konnte nichts als lesen.Wie wäscht sich heute Hand und Hand!Der lehrt nicht mehr. Der propagiert.Und wer erzieht den, der studiert?Ich kann mir nicht helfen, er war doch viel besser:der alte, deutsche, zerstreute Professor.
Ja, das möchtste:Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn –aber abends zum Kino hast du´s nicht weit.Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:Neun Zimmer, – nein, doch lieber zehn!Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,Radio, Zentralheizung, Vakuum,eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,eine süße Frau voller Rasse und Verve –(und eine fürs Wochenend, zur Reserve) –,eine Bibliothek und drumherumEinsamkeit und Hummelgesumm.Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste,acht Autos, Motorrad – alles lenkstenatürlich selber – das wär ja gelacht!Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.Ja, und das hab ich ganz vergessen:Prima Küche – erstes Essen –alte Weine aus schönem Pokal –und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.Und noch ne Million und noch ne Million.Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.Ja, das möchtste!Aber, wie das so ist hienieden:manchmal scheints so, als sei es beschiedennur pöapö, das irdische Glück.Immer fehlt dir irgendein Stück.Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;hast du die Frau, dann fehln die Moneten –hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.Etwas ist immer.Tröste dichJedes Glück hat einen kleinen Stich.Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.Daß einer alles hat:das ist selten.
Der Teufel hol den schwarzen Kaffee, wieviel Uhr mags denn sein?Ich kann ja nicht, kann ja nicht schlafen!Und neben mir der alte Affe schläft immer gleich ein,und ich kann nicht, ich kann nicht schlafen!Ich bin ja noch munter und plage michund guck an mir runter und frage mich:Sind das meine Beine – oder sind das seine Beine –oder sind das unsre Beine – oder wie?Mensch, schlaf nicht – schlaf bloß nicht – in Kompagnie!Da liegen viele Zeitungsnummern und ein Buch übern Tanz…was nützt es denn, wenn ich noch lese?Kann einer nämlich nicht entschlummern, und der andre, der kanns – :dann wird man, dann wird man so beese…Seh ich ihn so schlafen, dann will ich das auch.Und er stößt mir die Beine in meinen Bauch…Sind das meine Beine – oder sind das seine Beine - oder sind das unsre Beine – oder wie…?Mensch, schlaf bloß nicht – schlaf bloß nicht – in Kompagnie!Das ist die Hölle wie von Dante - der Mann ist so roh!Die Decke, die ist immer seine....Ich kipple ängstlich auf der Kante –mal so und mal so –man denkt, man hat siebenhundert Beine.Seh ich mir so an, welcher Haarwuchs ihn ziert:es wär Zeit´ daß er sich mal die Beine rasiert…Sind das meine Beine – oder sind das seine Beine - oder sind das unsre Beine – oder wie…?Mensch, schlaf bloß nicht – schlaf bloß nicht – in Kompagnie!Als kleine Mädchen, bunt bebändert –hatten wir einen Wunsch:Für die Nacht einen leiblichen Grafen!Inzwischen hat sich das geändert –ich zieh einen Flunsch –ich kann ja zu zwein doch nicht schlafen!Ich wünsch mir nur eines, aber das wünsch ich sehr:ich möcht mal allein sein – dann fragt ich nicht mehr:Wem gehört denn – wem gehört denn –wem gehört denn das Bein!Lieben: ja. Aber schlafen? Allein … !
Alle stehn um dich herum:Fotograf und Muttiund ein Kasten, schwarz und stumm,Felix, Tante Putti...Sie wackeln mit dem Schlüsselbund,fröhlich quietscht ein Gummihund."Baby, lach mal!" ruft Mama."Guck", ruft Tante, "eiala!"Aber du, mein kleiner Mann,siehst dir die Gesellschaft an...Na, und dann – was meinste?Weinste.Später stehn um dich herumVaterland und Fahnen;Kirche, Ministerium,Welsche und Germanen.Jeder stiert nur unverwandtauf das eigne kleine Land.Jeder kräht auf seinem Mist,weiß genau, was Wahrheit ist.Aber du, mein guter Mann,siehst dir die Gesellschaft an...Na, und dann – was machste?Lachste.
An meinem Todestag – ich werd ihn nicht erleben –da soll es mittags Rote Grütze geben,mit einer fetten, weißen Sahneschicht ...Von wegen: Leibgericht. Mein Kind, der Ludolf, bohrt sich kleine Dingeraus seiner Nase – niemand haut ihm auf die Finger.Er strahlt, als einziger, im Trauerhaus.Und ich lieg da und denk: "Ach, polk dich aus!" Dann tragen Männer mich vors Haus hinunter.Nun faßt der Karlchen die Blondine unter,die mir zuletzt noch dies und jenes lieh ...Sie findet: Trauer kleidet sie. Der Zug ruckt an. Und alle Damen,die jemals, wenn was fehlte, zu mir kamen:vollzählig sind sie heut noch einmal da ...Und vorne rollt Papa. Da fährt die erste, die ich damals ohnedie leiseste Erfahrung küßte – die Matronesitzt schlicht im Fond, mit kleinem Trauerhut.Altmodisch war sie – aber sie war gut. Und Lotte! Lottchen mit dem kleinen Jungen!Briefträger jetzt! Wie ist mir der gelungen?Ich sah ihn nie. Doch wo er immer schritt:mein Postscheck ging durch sechzehn Jahre mit. Auf rotem samtnen Kissen, im Spaliere,da tragen feierlich zwei Reichswehroffizieredie Orden durch die ganze Stadtdie mir mein Kaiser einst verliehen hat. Und hinterm Sarg mit seinen Silberputten,da schreiten zwoundzwonzig Nutten –sie schluchzen innig und mit viel System.Ich war zuletzt als Kunde sehr bequem. Das Ganze halt! Jetzt wird es dionysisch!Nun singt ein Chor: Ich lächle metaphysisch.Wie wird die schwarzgestrichne Kiste groß!Ich schweige tief.Und bin mich endlich los.
Ob es das wohl gibt:Ein Mann, der so nett bleibt, so aufmerksamwie am ersten Tag, wo er einen nahm … ?Einer, der Freund ist und Mann und Liebhaber;der uns mal neckt, mal bevatert,der immer neu ist, vor dem man Respekt hatund der einen liebt … liebt … liebt …ob es das gibt?Manchmal denke ich: ja.Dann sehe ich: nein.Man fällt immer wieder auf sie herein.
Du schläfst bei mir. Da plötzlich, in derNacht, du liebe Dame,Bist du mit einem Laut mir jäh erwacht –War das ein Name?Ich horche. Und du sagst es noch einmal –Im Halbschlaf: »Leo...«Bleib bei der Sache, Göttin meiner Wahl!Ich heiße Theo.Noch bin ich bei dir. Wenn die StundeNaht, da wir uns trennen:Vielleicht lernt dich dann ein Regierungs-rat im Teeraum kennen.Und gibst du seinen Armen nachts dich preis,den stolzen Siegern: –Dann flüstre einmal meinen Namen leisUnd denk an Tigern.
Hast du dein ganzes Lebengeschuftet wie ein Vieh;und geht´s dir im Alter daneben,entläßt dich die Industrie -dann heißt es noch lange nicht: Verrecke!Der Staat gibt dir sachlich und grobein eisernes Bett, eine Deckeund einen alten blechernen Topp.
Der Name ists, der Menschen zieret,weil er das Erdenpack sortieret –bist du auch dämlich, schief und krumm:Du bist ein Individuum.Hier sieht man nun den Dichter walten.Er schafft nicht nur die Dichtgestalten,nein, er benamset auch sein Kind –und nennt es Borkman oder Gynt.Wie aber, wenn er in den Dramengediegne bürgerliche Namenbenutzt und jener Bürger klagt,damits der Richter untersagt?»Du wirst dich von dem Namen trennen!Mußt du ihn grade Barnhelm nennen?«Der Richter schüttelt das Barrett:»Der Name macht den Kohl nicht fett!«Und kurz: Wir werden was ertragen!Schon sieht man Doktor Tassow klagen,mit ihm in trautestem Vereinden Grünkramhändler Wallenstein.Dem Dichter fällt in seine Leierauch der Ap´theker Florian Geyer –Dem Dichter grausts mit einem Mal:Er numeriert sein Personal.Wie nennt man nun die Rechtsgelehrten,die uns mit diesem Spruch beehrten?wie nennt man also dies Gericht?Hier weiß ich keinen Namen nicht.
Mein Mann? mein dicker Mann, der Dichter?Du lieber Gott, da seid mir still!Ein Don Juan? Ein braver, schlichterBourgeois – wie Gott ihn haben will.Da steht in seinen schmalen Büchern,wieviele Frauen er geküßt;von seidenen Haaren, seidenen Tüchern,Begehren, Kitzel, Brunst, Gelüst ... Liebwerte Schwestern, laßt die Briefe,den anonymen Veilchenstrauß!Es könnt ihn stören, wenn er schliefe.Denn meist ruht sich der Dicke aus.Und faul und fett und so gefräßigist er und immer indigniert.Und dabei gluckert er unmäßigvom Rotwein, den er temperiert. Ich sah euch wilder und erpichtervon Tag zu Tag – ach! laßt das sein!Mein Mann? mein dicker Mann, der Dichter?In Büchern: ja. Im Leben: nein.