Gedichte von Kurt Tucholsky

Kurt Tucholsky

Kurt Tucholsky

deutscher Journalist und Schriftsteller
* 9.1. 1890 - Berlin , Deutschland
21.12. 1935 - Göteborg

Ja, das möchtste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn –
aber abends zum Kino hast du´s nicht weit.

Das Ganze schlicht, voller Bescheidenheit:

Neun Zimmer, – nein, doch lieber zehn!
Ein Dachgarten, wo die Eichen drauf stehn,
Radio, Zentralheizung, Vakuum,
eine Dienerschaft, gut gezogen und stumm,
eine süße Frau voller Rasse und Verve –
(und eine fürs Wochenend, zur Reserve) –,
eine Bibliothek und drumherum
Einsamkeit und Hummelgesumm.

Im Stall: Zwei Ponies, vier Vollbluthengste,
acht Autos, Motorrad – alles lenkste
natürlich selber – das wär ja gelacht!
Und zwischendurch gehst du auf Hochwildjagd.

Ja, und das hab ich ganz vergessen:
Prima Küche – erstes Essen –
alte Weine aus schönem Pokal –
und egalweg bleibst du dünn wie ein Aal.
Und Geld. Und an Schmuck eine richtige Portion.
Und noch ne Million und noch ne Million.
Und Reisen. Und fröhliche Lebensbuntheit.
Und famose Kinder. Und ewige Gesundheit.

Ja, das möchtste!

Aber, wie das so ist hienieden:
manchmal scheints so, als sei es beschieden
nur pöapö, das irdische Glück.
Immer fehlt dir irgendein Stück.
Hast du Geld, dann hast du nicht Käten;
hast du die Frau, dann fehln die Moneten –
hast du die Geisha, dann stört dich der Fächer:
bald fehlt uns der Wein, bald fehlt uns der Becher.

Etwas ist immer.

Tröste dich

Jedes Glück hat einen kleinen Stich.
Wir möchten so viel: Haben. Sein. Und gelten.
Daß einer alles hat:
das ist selten.

Der Teufel hol den schwarzen Kaffee,
wieviel Uhr mags denn sein?
Ich kann ja nicht, kann ja nicht schlafen!
Und neben mir der alte Affe
schläft immer gleich ein,
und ich kann nicht, ich kann nicht schlafen!
Ich bin ja noch munter und plage mich
und guck an mir runter und frage mich:
Sind das meine Beine – oder sind das seine Beine –
oder sind das unsre Beine – oder wie?
Mensch, schlaf nicht – schlaf bloß nicht – in Kompagnie!

Da liegen viele Zeitungsnummern und ein Buch übern Tanz…
was nützt es denn, wenn ich noch lese?
Kann einer nämlich nicht entschlummern,
und der andre, der kanns – :
dann wird man, dann wird man so beese…
Seh ich ihn so schlafen, dann will ich das auch.
Und er stößt mir die Beine in meinen Bauch…
Sind das meine Beine – oder sind das seine Beine -
oder sind das unsre Beine – oder wie…?
Mensch, schlaf bloß nicht – schlaf bloß nicht – in Kompagnie!

Das ist die Hölle wie von Dante -
der Mann ist so roh!
Die Decke, die ist immer seine....
Ich kipple ängstlich auf der Kante –
mal so und mal so –
man denkt, man hat siebenhundert Beine.
Seh ich mir so an, welcher Haarwuchs ihn ziert:
es wär Zeit´ daß er sich mal die Beine rasiert…
Sind das meine Beine – oder sind das seine Beine -
oder sind das unsre Beine – oder wie…?
Mensch, schlaf bloß nicht – schlaf bloß nicht – in Kompagnie!

Als kleine Mädchen, bunt bebändert –
hatten wir einen Wunsch:
Für die Nacht einen leiblichen Grafen!

Inzwischen hat sich das geändert –
ich zieh einen Flunsch –
ich kann ja zu zwein doch nicht schlafen!
Ich wünsch mir nur eines,
aber das wünsch ich sehr:
ich möcht mal allein sein –
dann fragt ich nicht mehr:
Wem gehört denn – wem gehört denn –
wem gehört denn das Bein!

Lieben: ja.

Aber schlafen? Allein … !

Gedichte von Kurt Tucholsky (Seite 2)
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