Maimorgengang, o still Entzücken:Der Äther strahlt im reinsten Blau,Und bräutlich will der Wald sich schmückenMit zartem Grün und Silbertau.Mit weichem, träumerischem SchläfernStrömt rings ein lauer Frühlingsduft,Und mit den Faltern und den KäfernDurchfliegt ein Blütenschnee die Luft;Die Halden blühn, die jüngst noch dorrten:Sieh´, es ist alles neu geworden.Erneut im Licht! so will´s des LebensGesetz, das allen Stoff durchkreist,Ahrimans Winter drohn vergebens,Der Sieg verbleibt dem guten Geist.Sein weltverjüngend MaienwunderWeckt Saft und Farbe, Ton und Klang,Drum schallt von allen Wipfeln munterDer Nachtigallen Lobgesang.Sie jubeln seiner denn in Worten:Sieh´, es ist alles neu geworden.Im Kies verstrüppter UferdämmeSchleicht heut mein Pfad feldaus, waldein,Da spiegeln wilde BirnbaumstämmeMit Ulm´ und Esche sich im Rhein.Auch ihn erfreun des Maien Wonnen,Sein Schuppenvolk taucht wohlig vor,Der Aal kommt schlängelnd sich zu sonnen,Laut plätschernd schnalzt der Hecht empor,Und murmelnd trägt´s die Flut gen Norden:Sieh´, es ist alles neu geworden.Gekränktes Herz, wozu dein Härmen?Streif ab den fleckendunkeln Rost,Laß dich von diesen Lüften wärmenUnd schöpf´ aus dieser Landschaft Trost!Kein Leid, kein Groll darf allzeit dauern,Es kommt der Tag, da alles grünt,Da Kränkung, Schuld und herbes TrauernIn goldner Sonne Strahl sich sühnt,Auch im Gemüt, wie allerorten,Sieh´, es ist alles neu geworden.Und ruht im kühlen Schoß der ErdeVon allem Schmerz dein sterblich Teil,Getrost, getrost! ein kräftig „Werde!"Beruft dich einst zu bessrem Heil.Aus ird´schen Stoffs und Grams VerzehrungReist unsichtbar ein frischer Keim,Den eines andern Mal VerklärungZur Blüte bringt in anderm Heim.Dort rauscht´s in höheren Akkorden:Sieh´, es ist alles neu geworden.Am Rhein bei Dettenheim, den 1. Mai 1869
Einsam wandle deine Bahnen,Stilles Herz, und unverzagt!Viel erkennen, vieles ahnenWirst du, was dir keiner sagt.Wo in stürmischem GedrängeKleines Volk um Kleines schreit,Da erlauschest du Gesänge,Siehst die Welt du groß und weit.Andern laß den Staub der Straße,Deinen Geist halt frisch und blank,Spiegel sei er wie die Meerflut,Drin die Sonne niedersank.Einsam aus des Tages LärmenAdler in die Höhen schweift,Storch und Kranich fliegt in Schwärmen,Doch ihr Flug die Erde streift.Einsam wandle deine BahnenStilles Herz, und unverzagt!Viel erkennen, vieles ahnenWirst du, was dir keiner sagt.
Alt Heidelberg, du feine, Du Stadt an Ehren reich, Am Neckar und am Rheine Kein´ andre kommt dir gleich. Stadt fröhlicher Gesellen, An Weisheit schwer und Wein, Klar ziehn des Stromes Wellen, Blauäuglein blitzen drein. Und kommt aus lindem Süden Der Frühling übers Land, So webt er dir aus Blüten Ein schimmernd Brautgewand. Auch mir stehst du geschrieben Ins Herz gleich einer Braut, Es klingt wie junges Lieben Dein Name mir so traut. Und stechen mich die Dornen, Und wird mir´s drauß zu kahl, Geb´ ich dem Roß die Spornen Und reit´ ins Neckartal.
Wer klappert von dem Turme Seltsamen Gruß mir? horch! Das ist in seinem Neste Mein alter Freund, der Storch. Er rüstet sich zur Reise Weit über Land und See, Der Herbst kommt angezogen, Drum sagt er uns Ade!Hast recht, daß du verreisest, Bei uns wird´s kahl und still, Grüß mir das Land Italien Und auch den Vater Nil.Es werde dir im Süden Ein besser Mahl zuteil, Als deutsche Frösch´ und Kröten, Maikäfer und Langweil´!Behüt´ dich Gott, du Alter, Mein Segen mit dir zieht, Du hast in stillen Nächten Oftmals gehört mein Lied.Und wenn du nicht zufällig Im Nest verschlafen bist, So hast du auch gesehen, Wie sie mich einst geküßt.Doch schwatz nicht aus der Schule, Schweig still, alter Kumpan! Was geht die Afrikaner Die Lieb´ am Rheine an?
Von des Turmes höchster Spitze Schau´ ich in die Welt herein, Schaue auf erhab´nem Sitze In das Treiben der Partein. Und die Katzenaugen sehen, Und die Katzenseele lacht, Wie das Völklein der Pygmäen Unten dumme Sachen macht.Doch was nützt´s? ich kann den Haufen Nicht auf meinen Standpunkt ziehn, Und so laß ich ihn denn laufen, ´s ist wahrhaft nicht schad´ um ihn.Menschentun ist ein Verkehrtes, Menschentun ist Ach und Krach; Im Bewußtsein seines Wertes Sitzt der Kater auf dem Dach! –
Eigner Sang erfreut den Biedern, Denn die Kunst ging längst ins Breite, Seinen Hausbedarf an Liedern Schafft ein jeder selbst sich heute. Drum der Dichtung leichte Schwingen Strebt´ auch ich mir anzueignen; Wer wagt´s, den Beruf zum Singen Einem Kater abzuleugnen?Und es kommt nicht minder teuer, Als zur Buchhandlung zu laufen Und der andern matt´ Geleier Fein in Goldschnitt einzukaufen.
Das ist im Leben häßlich eingerichtet, Daß bei den Rosen gleich die Dornen stehn, Und was das arme Herz auch sehnt und dichtet, Zum Schlusse kommt das Voneinandergehn. In deinen Augen hab´ ich einst gelesen, Es blitzte drin von Lieb´ und Glück ein Schein: Behüt´ dich Gott! es wär´ zu schön gewesen, Behüt´ dich Gott, es hat nicht sollen sein! – Leid, Neid und Haß, auch ich hab´ sie empfunden, Ein sturmgeprüfter müder Wandersmann. Ich träumt´ von Frieden dann und stillen Stunden, Da führte mich der Weg zu dir hinan. In deinen Armen wollt´ ich ganz genesen, Zum Danke dir mein junges Leben weihn: Behüt´ dich Gott! es wär´ zu schön gewesen, Behüt´ dich Gott, es hat nicht sollen sein! –Die Wolken fliehn, der Wind saust durch die Blätter, Ein Regenschauer zieht durch Wald und Feld, Zum Abschiednehmen just das rechte Wetter, Grau wie der Himmel steht vor mir die Welt. Doch wend´ es sich zum Guten oder Bösen, Du schlanke Maid, in Treuen denk´ ich dein! Behüt´ dich Gott! es wär´ zu schön gewesen, Behüt´ dich Gott, es hat nicht sollen sein! –
Berggipfel erblühen,Waldwipfel erblühenVom Lenzhauch geschwellt;Zugvogel mit SingenErhebt seine Schwingen;Ich fahr´ in die Welt.Mir ist zum GeleiteIn lichtgoldnem KleideFrau Sonne bestellt;Sie wirft meinen SchattenAuf blumige Matten;Ich fahr´ in die Welt.Mein Hutschmuck die Rose,Mein Lager im Moose,Der Himmel mein Zelt;Mag lauern und kauernWer will, hinter Mauern;Ich fahr´ in die Welt.
Im Herz tobt altes Grollen, Der Sturm pfeift durch die Luft – »Du kommst mir eben rechte Des Weges, welscher Schuft! Dein Dolchstoß ist parieret, Nun, werter Freund, hab acht, Wie auf den welschen Schädel Die deutsche Klinge kracht!«– Die Sonn´ war untergegangen Fern, fern beim Vatikan; Sie schien des andern Morgens Auf einen toten Mann.