Schon blicken rote WipfelAus fahlem Laub hervor,Leis´ um der Berge GipfelWallt lichter Nebelflor.Schon folgt dem SchnitterreigenDes Jägers rascher Schuß –Doch reift´s noch an den ZweigenIm letzten Sonnenkuß.Bald nahen frohe Hände,Sie schütteln Ast um Ast,Sie brechen vom GeländeDer Trauben süße Last.Denn so ist´s allerwegen:Daß für des Sommers FleißMit köstlich reichem SegenDer Herbst zu lohnen weiß.Doch was ist dir beschieden,Der du die Zeit verträumt,Der du, zu sä´n hienieden,Zu pflanzen hast versäumt?Da du im FrühlingshaucheNach Rosen nur gesucht:So pflück´ vom dorn´gen StraucheDir jetzt die herbe Frucht.
Ein Fremdling bist du,Ein seltsamer Fremdling, o meine Seele,In diesem Erdengetriebe.Ringsum qualmt Selbstsucht und Hoffart zum Himmel,Laster und Torheit wuchern in üppiger BlüteUnd lustig schießen empor die tauben Halme der Eitelkeit.Und siehe: die Welt erträgt es!Sie erträgt es nicht bloß,Sie opfert der Selbstsucht,Beugt sich der Hoffart,Mästet Torheit und LasterUnd schmeichelt der Eitelkeit.Aber wehe dir, arme Seele,Wenn zu Tage tritt,Daß auch du staubgeboren,Und einmal dich betreten lässestauf menschlicher ArtUnd menschlicher Schwäche.Da geifert´s sogleich in der Runde!Da predigt die Selbstsucht Entsagung,Die Hoffart Demut,Das Laster Tugend –Und Torheit und EitelkeitHaben für dich ein Lächeln des Hohnes . . .Fürwahr ein Fremdling bist du,Ein seltsamer Fremdling, o meine Seele,In diesem Erdengetriebe.
Wie lieb´ ich es, an SonntagnachmittagenAllein zu sitzen im vertrauten Zimmer;Durchs Fenster bricht der Sonne heller Schimmer,Das Buch vergoldend, das ich aufgeschlagen.Die Straßen; es rollen keine Wagen;Des Marktes Lärm verstummt, als wär´s auf immer,Und all des Sonntagsstaates bunter Flimmer,Er ward hinaus in Wald Flur getragen.Verlassen fühlt sich, wer zurückgeblieben,Und manches schöne Auge blickt verdrossen,Und manche Wünsche unerfüllt zerstieben.Es ruht das Leben, wie in sich zerflossen;Doch still erfüllt sich auch geheimes Lieben,Und einsam wird des Geistes Glück genossen.
Weh´ dem, der da sein eignes Tun zu richtenBegonnen hat! Dann zählt er zu den KrankenUnd schaudernd fühlt er keimen den Gedanken:Sich selbst erkennen, heißt sich selbst vernichten.Denn auf sein Wesen muß er stumm verzichten,Und wie die liebsten Hoffnungen ihm sanken,Lebt er dahin in haltlos ödem SchwankenUnd wünscht den Tod herbei, die Qual zu schlichten.Darum frohlockt nicht so beim Weiterschreiten!Das Dasein ist ein großes Sichbesinnen –Und ein Erkennen jeder Sieg im Streiten.Die Menschheit wird sich selber nicht entrinnen,Denn ob sie scheinbar auch nach außen leiten:Die Fäden führen doch zuletzt nach innen.
Novembernebel füllenMit feuchtem Grau das Thal,Als wollten sie verhüllenDie Erde, kahl und fahl.Mit seinem dunklen SaumeGespenstisch ragt der Wald,Daraus, so wie im Traume,Von fern die Axt erschallt.Den Pfad mit kühlem HaucheUmwittert ödes Weh´,Verwaist am dorn´gen StraucheBebt Hagebutt´ und Schleh´.Wohin die Schritte streben,Versinkt der Fuß im Koth –Mühselig ist das LebenUnd traurig wie der Tod.
O nie in eitlem Hochmuth sprich es aus,Daß Dieser oder Jener nichts bedeute;Mit deinem letzten Urtheil halte Haus:Denn nicht so leicht ergründest du die Leute.In Jedem schlummert eine sond´re Kraft,Vielleicht noch von ihm selber unbeachtet,Die plötzlich sich emporhebt, geisterhaft,Und nimmer duldet, daß man sie verachtet.Und so geschieht es, daß oft Weisheit sprichtAus Solchen, die wie Thoren stets erschienen,Daß heil´ger Muth aus schwachen Seelen bricht –Du aber stehst sodann beschämt vor ihnen.Das heißt, wenn du nicht ganz verhärtet bistUnd fähig noch, in Reue zu entbrennen;Wer vor der Wahrheit gerne sich verschließt,Wird sie zuletzt auch gar nicht mehr erkennen.
In meinem Leben gab es böse Jahre –Wie jene aus der Bibel waren´s sieben –Da hat mich ein Verhängniß umgetrieben,Ich wandelte – und lag doch auf der Bahre.Nicht ein Erinnern, das ich voll bewahreAus jener Zeit, wo, ohne Frucht geblieben,Mein Geist in ödem Denken sich zerrieben,Und Gram und Sorge bleichten meine Haare!Gleich schwerem Traum zerfloß ihr dunkles Walten,Und auf vernarbte Wunden kann ich zeigen,Kaum wissend mehr, von wem ich sie erhalten.Nur manchmal, einzeln und in wirrem Reigen,Auftauchen schattenhafte Mahngestalten:Männer und Frau´n, die wie aus Gräbern steigen.
Freilich, freilich, alles eitel,Alles Trug und Schein –Ach, wie bald ergraut der Scheitel,Und du stehst allein!Deine Hoffnungen und TatenHat die Zeit gefällt,Und du siehest neue SaatenOhne dich bestellt.Und du fragst zuletzt mit Grollen:Hab´ ich nur gelebt,Um der rauhen Hand zu zollen,Die die Gräber gräbt?