Wer einmal einen tiefen Schmerz erlitten,Ist nicht mehr jung. Bis dahin war er´s,Und hätte silberweiß sein Haar bereitsDen tiefgebeugten Scheitel ihm umglänzt.Wer zählt die Jahre, wenn er glücklich ist?Er lebt und weiß nicht, daß er lebt.Der Schmerz erst ist die Grenze, wo wir weinendZurück und schaudernd vorwärts blicken.
Freilich, freilich, alles eitel,Alles Trug und Schein –Ach, wie bald ergraut der Scheitel,Und du stehst allein!Deine Hoffnungen und TatenHat die Zeit gefällt,Und du siehest neue SaatenOhne dich bestellt.Und du fragst zuletzt mit Grollen:Hab´ ich nur gelebt,Um der rauhen Hand zu zollen,Die die Gräber gräbt?
Wieder mit Flügeln, aus Sternen gewoben,Senkst du herab dich, o heilige Nacht;Was durch Jahrhunderte alles zerstoben –Du noch bewahrst deine leuchtende Pracht.Ging auch der Welt schon der Heiland verloren,Der sich dem Dunkel der Zeiten entrang,Wird er doch immer aufs neue geboren,Nahst du, Geweihte, dem irdischen Drang.Selig durchschauernd kindliche Herzen,Bist du des Glaubens süßester Rest;Fröhlich begangen bei flammenden Kerzen,Bist du das schönste, das menschlichste Fest.Leerend das Füllhorn beglückender Liebe,Schwebst von Geschlecht zu Geschlecht du vertraut –Wo ist die Brust, die verschlossen dir bliebe,Nicht dich begrüßte mit innigstem Laut?Und so klingt heut noch das Wort von der Lippe,Das einst in Bethlehem preisend erklang,Strahlet noch immer die lieblichste Krippe –Tönt aus der Ferne der Hirten Gesang .....Was auch im Sturme der Zeiten zerstoben –Senke herab dich in ewiger Pracht,Leuchtende du, aus Sternen gewoben,Frohe, harzduftende, heilige Nacht!
Wie lieb´ ich euch,Leise schwankende Pappeln,Die ihr gesammelten WuchsesZum Himmel aufstrebt!Freilich wohlErreicht ihr ihn nicht –Aber hoch empor ragt ihrüber niedres Gestrüpp nicht bloßUnd den verkrüppelten Fruchtbaum:Auch die mächtige Eiche,Die schattenspendende LindeLaßt ihr unter euch.Und mit ihnenDie dumpfen Wohnungen der Menschen,Deren kurzer Blick, dem Nützlichen zugewandt,Nur selten an euch, den Nutzlosen,Empor sich hebt,Indes ihr,Weithin überschauend die Landschaft,Selig einsam die Häupter wiegetIm ewigen Äther.
Wer mehr, als er verschuldet,Erlitten und erduldet,Der ist zuletzt gefeit;Wie immer er auch wandle,Wie immer er auch handle:Geschlichtet ist der Streit.Denn endlich naht die Stunde,Wo tief im HerzensgrundeDie Frage lauter spricht:Wem ward ein Recht gegeben –Wer wagt es hier im Leben,Zu halten ein Gericht?Ja, was da auch geschehe,Zum Wohl oder zum Wehe,Geschieht´s nicht, weil es muß?»Drum will ich siegreich fallenMit meinen Wunden allen!«Ruft dann der Mensch zum Schluß.Er ruft´s und will nicht haltenZurück mehr die Gewalten,Die man das Schicksal heißt –Und fragt sich nicht mehr bange,Wen er bei UntergangeMit sich zum Orkus reißt!
Das aber nehmt euch einmal zu Verstande:Daß einer nie sein Höchstes kann vollbringen,Wenn nicht ein Gott ihm gnädig löst die Schwingen,Und nicht ein günst´ger Wind ihn treibt vom Strande.Denn nie gedeiht der Baum in dumpfem Sande,Zu Tod sich flattern muß der Aar in Schlingen –Und ernstes Tun kann stets nur halb gelingen,Wenn sich die Mitwelt freut an hohlem Tande.Ja, ob auch eigne Kraft und tiefstes WollenDie Größe hebt aus den gemeinen Gleisen:Des Lebens Mächten muß ein jeder zollen.Drum laßt das Wicht´ge mit dem Finger Weisen,Seht einen Mann ihr schöpfen aus dem Vollen:Ihn selbst nicht – seinen Stern nur mögt ihr preisen.
Ein Fremdling bist du,Ein seltsamer Fremdling, o meine Seele,In diesem Erdengetriebe.Ringsum qualmt Selbstsucht und Hoffart zum Himmel,Laster und Torheit wuchern in üppiger BlüteUnd lustig schießen empor die tauben Halme der Eitelkeit.Und siehe: die Welt erträgt es!Sie erträgt es nicht bloß,Sie opfert der Selbstsucht,Beugt sich der Hoffart,Mästet Torheit und LasterUnd schmeichelt der Eitelkeit.Aber wehe dir, arme Seele,Wenn zu Tage tritt,Daß auch du staubgeboren,Und einmal dich betreten lässestauf menschlicher ArtUnd menschlicher Schwäche.Da geifert´s sogleich in der Runde!Da predigt die Selbstsucht Entsagung,Die Hoffart Demut,Das Laster Tugend –Und Torheit und EitelkeitHaben für dich ein Lächeln des Hohnes . . .Fürwahr ein Fremdling bist du,Ein seltsamer Fremdling, o meine Seele,In diesem Erdengetriebe.
Lächelt nur wissensstolzVon euren BücherhekatombenUnd euren Kathedern herab,Wenn der Dichter singt:Selig sind die Armen im Geiste!Ja, selig sind sie –Selig wie Kinder,Die, halb noch an nährender Mutterbrust,Halb schon die ersten Schritte tun,Von Blumen und Faltern gelenktUnd vom Zwitschern des Vogels,Aber verschüchtert sogleichVor jedem rauschenden LufthauchZurück sich flüchten in die schützende Hut.Nur Nächstes im Auge,Greifen sie nach dem Nächsten nur –Und so leben sie hinGute und böse Tage,Harmlos, als müßt´ es so sein,Nur das eigene Wohl und Weh bedenkend.Inzwischen schreitet an ihnen vorüber die ZeitUnd reißt die AhnungslosenWie im Traum mit sich fort.Und wenn sie dann plötzlichErwachen bei unsanftem Ruck,Blicken sie auf und fragen in rührender Unschuld: was ist? –Ja, was ist!? Ihr andernKönnt es ihnen sagen:Denn ihr wißt es.Dann horchen sie aufUnd stehen beschämt –Und klug wie zuvor.Sie begreifen nichts,Sie lernen nichts,Und fremd bleibt ihnen alles,Was ihr preist als die höchsten Triumphe der Menschheit.Aber dafür auchBleibt ihnen erspart die letzte Erkenntnis:Die Erkenntnis der eigenen NichtigkeitUnd das öde BewußtseinVon des ewigen Einerlei trostloser Wiederkehr.
Strahlend im heitersten Blau steht die Sonne;Aber früh noch ist es im LenzUnd eisige Lüfte hauchen nochVon den Bergen herüber,Wo hartnäckig der Winter sich fest gefrorenIn tannenumdunkelten Klüften.Dennoch vom erstarrten BlachfeldSchwingt sich mit kämpfendem FlügelDie Lerche empor,Hin und her geschleudert vom Sturm,Aber die jauchzende Brust umfunkeltVom ewigen Licht –Schwing´ dich ihr nach, du mein geflügeltes Lied!
Das aber ist das Traurigste: zu sehen,Wie tief die Menschheit wurzelt im Gemeinen,Wie Taten, die uns hier die höchsten scheinen,Zumeist aus niedrem Antrieb nur geschehen.Wie es die Besten selbst so schwer verstehen,Daß man nur schöpfen dürfe aus dem Reinen,Und wie es gibt von Tausenden kaum einen,Der sich den eignen Vorteil läßt entgehen.Und so geschiet es, daß in diesem LebenEin hoher Sinn gereicht zu Hohn und Schande,Ward des Erfolges Glanz ihm nicht gegeben.Und so geschieht´s auch, daß sich bis zum RandeGewinnsucht füllt, indes ein selbstlos StrebenVersiegen muß, so wie der Quell im Sande.