Man hatte uns Worte vorgesprochen, die von nackter Schönheit und Ahnung und zitterndem Verlangen übergingen.Wir nahmen sie, behutsam wie fremdländische Blumen, die wir in unsrer Knabenheimlichkeit aufhingen.Sie versprachen Sturm und Abenteuer, Überschwang und Gefahren und todgeweihte Schwüre –Tag um Tag standen wir und warteten, daß ihr Abenteuer uns entführe.Aber Wochen liefen kahl und spurlos, und nichts wollte sich melden, unsre Leere fortzutragen.Und langsam begannen die bunten Worte zu entblättern. Wir lernten sie ohne Herzklopfen sagen.Und die noch farbig waren, hatten sich von Alltag und allem Erdwohnen geschieden:Sie lebten irgendwo verzaubert auf paradiesischen Inseln in einem märchenblauen Frieden.Wir wußten: sie waren unerreichbar wie die weißen Wolken, die sich über unserm Knabenhimmel vereinten,Aber an manchen Abenden geschah es, daß wir heimlich und sehnsüchtig ihrer verhallenden Musik nachweinten.
In einem alten Buche stieß ich auf ein Wort,Das traf mich wie ein Schlag und brennt durch meine Tage fort:Und wenn ich mich an trübe Lust vergeb,Schein, Lug und Trug zu mir anstatt des Wesens hebe,Wenn ich gefällig mich mit raschem Sinn belüge,Als wäre Dunkles klar, als wenn nicht Leben tausend wild verschlossne Tor trüge,Und Worte wieder spreche, deren Weite nie ich ausgefühlt,Und Dinge fasse, deren Sein mich niemals aufgewühlt,Wenn mich willkommner Traum mit Sammethänden streicht,Und Tag und Wirklichkeit von mir entweicht,Der Welt entfremdet, fremd dem tiefsten Ich,Dann steht das Wort mir auf: Mensch, werde wesentlich!
Der Abend spricht mit lindem Schmeichelwort die Gassen In Schlummer und der Süße alter Wiegenlieder, Die Dämmerung hat breit mit hüllendem Gefieder Ein Riesenvogel sich auf blaue Firste hingelassen. Nun hat das Dunkel von den Fenstern allen Glanz gerissen, Die eben noch beströmt wie veilchenfarbne Spiegel standen, Die Häuser sind im Grau, durch das die ersten Lichter branden Wie Rümpfe großer Schiffe, die im Meer die Nachtsignale hissen. In späten Himmel tauchen Türme zart und ohne Schwere, Die Ufer hütend, die im Schoß der kühlen Schatten schlafen, Nun schwimmt die Nacht auf dunkel starrender Galeere Mit schwarzem Segel lautlos in den lichtgepflügten Hafen.
Du über deren Lippen leis in lindenFrühsommernächten trunkne Worte schweben:Nun will ich deinen jungen Leib umwindenund deiner Seele süße Last entbindenund aller Träume wundervolles Webenin Märchenaugen rätselhaft gespiegeltwie Lilien sich zu dunklen Wassern neigen –Schon fühl ich schwankend in gelöstem Reigenaus Purpurschächten zauberkühn entriegeltein Fremdes Ahnungsvolles wirkend steigen –Einem MädchenSchon trägt vom jungen Morgenwind gezogendas goldne Schiff uns auf geklärten Wellenzu neuem Meer. Schon sehen wir im hellenDunstflor der Fernen weiß vom Gischt umflogendie blauen Inselkuppen ladend schwellengestreift von früher Sonne scheuem Scheinin warmem Kranz die sanften grünen Buchten –Schon steigen wir durch Tal und feuchte Schluchtenund schauen strahlend über schwarzem Haindie Wundergärten die wir sehnend suchten –und betten uns in goldne Blüten ein.
Die Tore aller Himmel stehen hoch dem Dunkel offen,Das lautlos einströmt, wie in bodenlosen TrichterLand niederreißend. Schatten treten dichterAus lockren Poren nachtgefüllter Schollen.Die Pappeln, die noch kaum von Sonne troffen,Sind stumpf wie schwarze Kreuzesstämme übers Land geschlagen.Die Acker wachsen grau und drohend - Ebenen trüber Schlacke.Nacht wirbelt aus den Wolkengruben, über die die Stöße rollenSchon kühler Winde, und im dämmrigen GezackeHellgrüner Weidenbüschel, drin es rastend sich und röchelnd eingeschlagen,Verglast das letzte Licht.
Träume der blassen und umglühten Stunden sinkt wieder ihr in lindem Abendwehn aus goldgenetzter Wolken dunklem Schoß wie Sommerregen duftend auf mein Land? Ihr locktet früh das Kind zu Zaubergärten verwunschnen Schlössern stillen grünen Seen und brauner Wurzel quoll aus trübem Schacht gehöhlter Felsen unermeßnes Gold. Dann gingt ihr hin und euer leichtes Bild zerfloß und zitterte nur traumhaft fern wie leuchtend durch die Nächte warmer Schein in dämmerweichen Sommerlüften hängt. Nun tönt mir eure Stimme süß vertraut wie einem Kind das sich im Wald verlor der Glocken Läuten still vom Abendwind durch welken Glanz der Tale hingeweht.
Der stille Teich von dunklem Schilf umflüstertund alten überwachsnen Stämmen die seltsam rauschenerglüht im sinkenden Abend. Leise flirrtsein tiefer brauner Kelch im Nachtwind und umspültder schlanken Gondel goldgezierten Bugdie schwer mit Tang und trüber Flut gefülltauf weichen Ufermoosen schaukelt woder schmale Kiesweg grün umwuchertin fernes Dunkel taucht. Verschlafen gleitenim Wellenrieseln weiße Wasserrosenan dünnen schwanken Stengeln hin und strahlenin blassem Feuer groß aus braunen Schatten dievon breiten Buchenkronen sinken undder satte Abendhimmel überströmtvon Purpurwolken flimmert durchs Gewirrder Äste schwer und brennend wie ein Schachtmit funkelnden Juwelen übersät.
Der Abend läuft den lauen Fluß hinunter,Gewittersonne übersprengt die Ufersenkung bunter.Es hat geregnet. Alle Blätter dampfen Feuchte.Die Weidenwildnis streckt mit hellen Tümpeln sich ins witternde Geleuchte.Weiße Nebel sich ins Abendglänzen schwingen.Unterm seichten Fließen dumpf und schrill die mitgezognen Kiesel klingen.Die Pappeln stehn im Licht, traumgroße Kerzen dick mit gelbem Honigseim beträuft –Mir ist, als ob mein tiefstes Glück durch grüne Ufer in den brennenden Gewitterabend läuft.
Nun rieseln weiße Flocken unsre Schritte ein.Der Weidenstrich läßt fröstelnd letzte Farben sinken,Das Dunkel steigt vom Fluß, um den versprengte Lichter blinken,Mit Schnee und bleicher Stille weht die Nacht herein.Nun ist in samtnen Teppichen das Land verhüllt,Und unsre Worte tasten auf und schwanken niederWie junge Vögel mit verängstetem Gefieder –Die Ebene ist grenzenlos mit Dämmerung gefüllt.Um graue Wolkenbündel blüht ein schwacher Schein,Er leuchtet unserm Pfad in nachtverhängte Weite,Dein Schritt ist wie ein fremder Traum an meiner Seite –Nun rieseln weiße Flocken unsre Sehnsucht ein.
Schwer glitt der Kahn. Die Silberweiden hingenschauernd zur Flut. Und bebend glitt der Kahn.Und deine Worte fremd und klanglos fielenwie blasse Mandelblüten leicht und leuchtendzum Fluß aus dessen schwankem Grunde spiegelnddie hellen Wiesen lockten und der Himmelund allen Lebens traumhaft Bild indesvom flirrenden Geäst durchsungner Kronender Abend in Rubinenfeuern sprühendsich golden in die lauen Wolken schwang.Und deine Worte sanken mit dem Rauschenerglühter Wasser und dem süßen Takttropfender Ruder fremd und schwer zusammenin eine dunkle Weise hingeschleiftvom matten Licht der Dämmerung die schon feuchtdie Wiesen überrann ein Kinderliedaus Spiel und Traum gefügt das weich wie Flaumblaßroter Wölkchen durch den bebenden Glanzder Wasser ging und still im Abend losch.