Längst, du freundliches Nachtgestirn,Ist dein Geheimnis verweht.Erkenntnisstolz blickt der Knabe schonZu dir empor,Denn verfallen bist du, wie alles jetzt,Der Wissenschaft,Die deine Höhen und Tiefen mißt –Und wer weiß, ob du nicht endlich doch nochErstiegen wirst auf der MünchhausenleiterDer Hypothesen.Dennoch, du alter, treuer Begleiter der Erde,Webt und wirkt dein alter Zauber fort,Wenn du, Aug´ und Herz erfreuend, emportauchstMit dem sanftschimmernden MenschenantlitzUnd seligen Frieden gießestÜber tagmüde Gefilde.Noch immer, wachgeküßt von deinem Strahl,Seufzt Liebe zu dir hinan –Und immer noch, ach! besingen dich Dichter.
Schelte man doch nicht den Dichter,Wenn auch er zuweilen sinkt,Und wie anderes GelichterAus des Lebens Pfütze trinkt.Reiner nur in Gegensätzen,Heller tönt empor sein Lied;Nimmer weiß das Licht zu schätzen, Wer das Dunkel stets vermied.Wie ihn auch sein Wipfel kröne,Wurzelt doch in Nacht und Stamm –Und der Lilie keusche SchöneBlühet aus des Teiches Schlamm!
Was an Schmerzen du erfahren,Ist vergessen auch zur Stund´,Küßt nach langen, öden JahrenWieder dich ein schöner Mund.Was die Zeit an Ruhm dir raubte,Hast du doppelt reich und schnell,Wenn dein Kranz, der früh entlaubte,Wieder ausschlägt grün und hell.Darum sel´ge Tränen weine,Wird dir noch ein spätes Glück:Denn es bleibt nun auch das deine,Und kein Gott nimmt´s mehr zurück!
Wie lieb´ ich es, an SonntagnachmittagenAllein zu sitzen im vertrauten Zimmer;Durchs Fenster bricht der Sonne heller Schimmer,Das Buch vergoldend, das ich aufgeschlagen.Die Straßen; es rollen keine Wagen;Des Marktes Lärm verstummt, als wär´s auf immer,Und all des Sonntagsstaates bunter Flimmer,Er ward hinaus in Wald Flur getragen.Verlassen fühlt sich, wer zurückgeblieben,Und manches schöne Auge blickt verdrossen,Und manche Wünsche unerfüllt zerstieben.Es ruht das Leben, wie in sich zerflossen;Doch still erfüllt sich auch geheimes Lieben,Und einsam wird des Geistes Glück genossen.
Willst du die Leiden dieser Erde,Der Menschheit Jammer ganz versteh´n,Mußt du mit scheuer GramgebärdeEin Kind im stillen weinen seh´n;Ein Kind, das eben fortgewichenAus fröhlicher Gespielen KreisUnd nun, vom ersten Schmerz beschlichen,In Tränen ausbricht, stumm und heiß.Du weißt nicht, was das kleine WesenSo rauh und plötzlich angefaßt –Doch ist´s in seinem Blick zu lesen,Wie es schon fühlt des Daseins Last.Wie es sich bang und immer bängerZurück schon in sein Innres zieht,Weil es Bedränger auf BedrängerMit leisem Schaudern kommen sieht.Willst du die Leiden dieser Erde,Der Menschheit Jammer ganz versteh´n:Mußt du mit scheuer GramgebärdeEin Kind im stillen weinen seh´n.
Oft ist es mir, als säh´ ich niedergleitenDie Schleier still und leise von den Dingen,Mein Auge kann das weite All durchdringenUnd blickt zurück zum Urquell aller Zeiten.Ich sehe, wie die Fäden sich bereiten,Wie sie sich knüpfen, kreuzen und verschlingen –Und so die Tage immer näher bringen,Die zu den unsren ernst herüberleiten.Dann fühl´ ich mit dem Fernsten mich verwobenUnd in mir leben jedes Einzelleben,Das hier geatmet und geblickt nach oben.Mein eignes Ich, mit tiefgeheimem Beben,Seh´ ich zur Welt erweitert und erhoben –Und mit ihr, wie ein Traum, in Nichts verschweben.
Das aber ist das Traurigste: zu sehen,Wie tief die Menschheit wurzelt im Gemeinen,Wie Taten, die uns hier die höchsten scheinen,Zumeist aus niedrem Antrieb nur geschehen.Wie es die Besten selbst so schwer verstehen,Daß man nur schöpfen dürfe aus dem Reinen,Und wie es gibt von Tausenden kaum einen,Der sich den eignen Vorteil läßt entgehen.Und so geschiet es, daß in diesem LebenEin hoher Sinn gereicht zu Hohn und Schande,Ward des Erfolges Glanz ihm nicht gegeben.Und so geschieht´s auch, daß sich bis zum RandeGewinnsucht füllt, indes ein selbstlos StrebenVersiegen muß, so wie der Quell im Sande.
Schon blicken rote WipfelAus fahlem Laub hervor,Leis´ um der Berge GipfelWallt lichter Nebelflor.Schon folgt dem SchnitterreigenDes Jägers rascher Schuß –Doch reift´s noch an den ZweigenIm letzten Sonnenkuß.Bald nahen frohe Hände,Sie schütteln Ast um Ast,Sie brechen vom GeländeDer Trauben süße Last.Denn so ist´s allerwegen:Daß für des Sommers FleißMit köstlich reichem SegenDer Herbst zu lohnen weiß.Doch was ist dir beschieden,Der du die Zeit verträumt,Der du, zu sä´n hienieden,Zu pflanzen hast versäumt?Da du im FrühlingshaucheNach Rosen nur gesucht:So pflück´ vom dorn´gen StraucheDir jetzt die herbe Frucht.
Weh´ dem, der da sein eignes Tun zu richtenBegonnen hat! Dann zählt er zu den KrankenUnd schaudernd fühlt er keimen den Gedanken:Sich selbst erkennen, heißt sich selbst vernichten.Denn auf sein Wesen muß er stumm verzichten,Und wie die liebsten Hoffnungen ihm sanken,Lebt er dahin in haltlos ödem SchwankenUnd wünscht den Tod herbei, die Qual zu schlichten.Darum frohlockt nicht so beim Weiterschreiten!Das Dasein ist ein großes Sichbesinnen –Und ein Erkennen jeder Sieg im Streiten.Die Menschheit wird sich selber nicht entrinnen,Denn ob sie scheinbar auch nach außen leiten:Die Fäden führen doch zuletzt nach innen.