Wie lieb´ ich es, an SonntagnachmittagenAllein zu sitzen im vertrauten Zimmer;Durchs Fenster bricht der Sonne heller Schimmer,Das Buch vergoldend, das ich aufgeschlagen.Die Straßen; es rollen keine Wagen;Des Marktes Lärm verstummt, als wär´s auf immer,Und all des Sonntagsstaates bunter Flimmer,Er ward hinaus in Wald Flur getragen.Verlassen fühlt sich, wer zurückgeblieben,Und manches schöne Auge blickt verdrossen,Und manche Wünsche unerfüllt zerstieben.Es ruht das Leben, wie in sich zerflossen;Doch still erfüllt sich auch geheimes Lieben,Und einsam wird des Geistes Glück genossen.
Schelte man doch nicht den Dichter,Wenn auch er zuweilen sinkt,Und wie anderes GelichterAus des Lebens Pfütze trinkt.Reiner nur in Gegensätzen,Heller tönt empor sein Lied;Nimmer weiß das Licht zu schätzen, Wer das Dunkel stets vermied.Wie ihn auch sein Wipfel kröne,Wurzelt doch in Nacht und Stamm –Und der Lilie keusche SchöneBlühet aus des Teiches Schlamm!
Ja, der Winter ging zur Neige,holder Frühling kommt herbei,Lieblich schwanken Birkenzweige,und es glänzt das rote Ei.Schimmernd wehn die Kirchenfahnenbei der Glocken Feierklang,und auf oft betretnen Bahnennimmt der Umzug seinen Gang.Nach dem dumpfen Grabchoraletönt das Auferstehungslied,und empor im Himmelsstrahleschwebt er, der am Kreuz verschied.So zum schönsten der Symbolewird das frohe Osterfest,daß der Mensch sich Glauben hole,wenn ihn Mut und Kraft verläßt.Jedes Herz, das Leid getroffen,fühlt von Anfang sich durchweht,daß sein Sehnen und sein Hoffenimmer wieder aufersteht.
Wer da zu früh die Gunst der Welt erfahrenUnd ihres Beifalls Übermaß errungen,Der wird sofort, von Hochmut rasch durchdrungen,Die menschliche Gemeinheit offenbaren.Schon auf dem Gipfel wird er sich gewahren,Gewappnet, wie dem Haupt des Zeus entsprungen;Verachten wird er dreist der Wahrheit Zungen,Ungnädig sein – auch gegen Schmeichlerscharen.Er fühlt sich, und die höchste selbst der KronenVermag ihm keine Demut einzuflößen:Daß er sie trägt, soll euch, nicht ihn belohnen.Blickt doch nur hin nach euren Ruhmesgrößen,Wie sie da rings als schnöde Götzen tronen,Zum Dank euch weisend ihre Hinterblößen.
Was an Schmerzen du erfahren,Ist vergessen auch zur Stund´,Küßt nach langen, öden JahrenWieder dich ein schöner Mund.Was die Zeit an Ruhm dir raubte,Hast du doppelt reich und schnell,Wenn dein Kranz, der früh entlaubte,Wieder ausschlägt grün und hell.Darum sel´ge Tränen weine,Wird dir noch ein spätes Glück:Denn es bleibt nun auch das deine,Und kein Gott nimmt´s mehr zurück!
Wer einmal einen tiefen Schmerz erlitten,Ist nicht mehr jung. Bis dahin war er´s,Und hätte silberweiß sein Haar bereitsDen tiefgebeugten Scheitel ihm umglänzt.Wer zählt die Jahre, wenn er glücklich ist?Er lebt und weiß nicht, daß er lebt.Der Schmerz erst ist die Grenze, wo wir weinendZurück und schaudernd vorwärts blicken.
O nie in eitlem Hochmuth sprich es aus,Daß Dieser oder Jener nichts bedeute;Mit deinem letzten Urtheil halte Haus:Denn nicht so leicht ergründest du die Leute.In Jedem schlummert eine sond´re Kraft,Vielleicht noch von ihm selber unbeachtet,Die plötzlich sich emporhebt, geisterhaft,Und nimmer duldet, daß man sie verachtet.Und so geschieht es, daß oft Weisheit sprichtAus Solchen, die wie Thoren stets erschienen,Daß heil´ger Muth aus schwachen Seelen bricht –Du aber stehst sodann beschämt vor ihnen.Das heißt, wenn du nicht ganz verhärtet bistUnd fähig noch, in Reue zu entbrennen;Wer vor der Wahrheit gerne sich verschließt,Wird sie zuletzt auch gar nicht mehr erkennen.
Lächelt nur wissensstolzVon euren BücherhekatombenUnd euren Kathedern herab,Wenn der Dichter singt:Selig sind die Armen im Geiste!Ja, selig sind sie –Selig wie Kinder,Die, halb noch an nährender Mutterbrust,Halb schon die ersten Schritte tun,Von Blumen und Faltern gelenktUnd vom Zwitschern des Vogels,Aber verschüchtert sogleichVor jedem rauschenden LufthauchZurück sich flüchten in die schützende Hut.Nur Nächstes im Auge,Greifen sie nach dem Nächsten nur –Und so leben sie hinGute und böse Tage,Harmlos, als müßt´ es so sein,Nur das eigene Wohl und Weh bedenkend.Inzwischen schreitet an ihnen vorüber die ZeitUnd reißt die AhnungslosenWie im Traum mit sich fort.Und wenn sie dann plötzlichErwachen bei unsanftem Ruck,Blicken sie auf und fragen in rührender Unschuld: was ist? –Ja, was ist!? Ihr andernKönnt es ihnen sagen:Denn ihr wißt es.Dann horchen sie aufUnd stehen beschämt –Und klug wie zuvor.Sie begreifen nichts,Sie lernen nichts,Und fremd bleibt ihnen alles,Was ihr preist als die höchsten Triumphe der Menschheit.Aber dafür auchBleibt ihnen erspart die letzte Erkenntnis:Die Erkenntnis der eigenen NichtigkeitUnd das öde BewußtseinVon des ewigen Einerlei trostloser Wiederkehr.