Nach all den Nächten, die voll Sternen hingen,nun diese dumpfe, trübe, nasse Nacht,als wär die Arbeit aller Zeit vollbrachtund niemals wieder Hoffnung auf Gelingen.Wohin die Schritte weisen, da das Zielertrank im nebeligen Grau der Wege?Ich such nur noch, wo ich mich niederlege,den stillen Platz. Verloren ist das Spiel.Ich höre vieler Menschen Schritte tasten –verirrte Menschen, einsam, müd und arm –und keiner weiß, wie wohl ihm wär und warm,wenn wir einander bei den Händen faßten.
Mädchen mit den krummen Beinen,wie ein Dackel schief im Gang,glätte mir dein weißes Leinen.Grade will dein Wuchs mir scheinen,liegst du lang.Deine Haut, die fleckig, kreidig,dir verunziert Stirn und Wang,rötet sich und wird geschmeidig,und dein Borstenhaar wird seidig,liegst du lang.Dein Organ ist wie der Spatzenkreischend krächzender Gesang.Komm auf schwellende Matratzen!Wohllaut wird dein heisres Kratzen,liegst du lang.Armes Kind, nie kam ein Freier,der dich auf sein Lager dang.Komm zu mir zur Liebesfeier!Mir schwillt Mut und Blut und Leier,liegst du lang.
Fürcht´ nicht die Stunde, da du stirbst.Die Welt, o glaub´s nur, kann dich missen.Kein Stern, um dessen Licht du wirbst,Wird mit dir in den Tod gerissen. Solang du lebst, wirst du gebraucht.Soll dich das Leben nicht vergessen,Sorg, dass die Tat nicht untertaucht,An der du deine Kraft gemessen. Leb, dass du stündlich sterben kannst,In Pflicht und Freude stark und ehrlich.Nicht dich – das Werk, das du begannst,Mach für die Menschheit unentbehrlich!
Sie lernte Stenographin.Er war Engros-Kommis.Im Speisewagen traf ihnein Blick. Er liebte sie.auf einer Haltestellebrach man die Reise ab,woselbst er im Hotellesie als sein Weib ausgab.Nicht viel, das man sich fragte.Doch küßten sie genug.Und als der Morgen tagte,ging schon der nächste Zug.Nach einer kurzen Stundefand ihre Fahrt den Schluß.Er nahm von ihrem Mundenoch einen heißen Kuß.Er sah sie schnupftuchwinkendnoch stehn zum letztenmal,und in sein Auge blinkendsich eine Träne stahl.Er soll sie noch heute lieben.Sie war so drall und jung.Ihr ist ein Kind gebliebenund die Erinnerung.
Zähre rieselt mir um Zähre in des Betts zerwühltes Laken. Bange Angstgedanken haken sich in meiner Seele Schwere.Schmerzgekrümmt sind meine Beine; traurig triefend hängt der Bart von den Tränen, die ich weine - und die Nase trieft apart ...Ach, es ist der Traum der Liebe, den ich durch die Seele siebe. Ach, es ist der Liebe Weh, die mich zwickt vom Kopf zum Zeh. -Armes Herz! Die Träume wittern fernen Trost. Ich spann´ die Ohren - und durch meiner Seele Zittern, fernherflüsternd, traumverloren, murmelt ein geliebter Mund: Schlapper Hund!
Lieder sing ich, seit ich denke,weil mein Herz empfindsam istund den Spender der Geschenkeim Genießen nicht vergißt.Doch sie haben mich vergessen,denen ich mein Lied beschert.Niemand lebt auf Erden, dessenSeele meines Sangs noch wert.Heldentaten zu vollbringen,ist kein Lob in dieser Zeit:Disziplin heißt sie vollbringen,Angst gebiert die Tapferkeit.Liebe, die das Herz beseligt,zupft an keiner Leier mehr.Haß ersetzt sie. Haß befehligt.Haß ist Heil und Pflicht und Wehr.Niemals kehrt die Freude wiederund das Licht, das uns umgab.Still versinken auch die Liederin der Menschheit Massengrab.
Der Tag, der keine Sonne sah, verbleicht;Der Weg versinkt in abendschwerem Regen.Der müde Fuß, den weicher Schlamm umschleicht,Steigt Schritt vor Schritt der Dunkelheit entgegen.Zu beiden Seiten kriechen niedre Hecken,Den Fuß belauernd, hin am Wegesrand.Gekappter Bäume kahle Äste reckenSich hoch wie Finger einer Totenhand. –Und schwärzer wird die Nacht – und endlos dehntDie Straße sich – und schmutziger Regen tropft. –Nie hat die Seele sich so heiß gesehnt; –Nie hat das Herz so lebenswild geklopft.
Ach, ihr Seelendreher,Ach, ihr Geisterseher,Kluge Psychologen!Euch kommt angeflogen,Was wir nie ergründen:Unsre dunkeln Sünden,Unser Weh und Ringen,Unser Träumen, Singen,Unser Kämpfen, GärenWißt ihr zu erklären.Ihr kennt wohl BescheidTief in unserm Leid.Ängsten uns die Hexen,Sprecht ihr von Komplexen.Starren aus den EckenFratzen, die uns schrecken,Quält uns Gott und Satan,Gleich rückt euer Rat an,Und prophetisch-pythisch,PsychoanalytischSucht ihr krumm und gradeUnsre Seelenpfade.Eure Worte allesind die Mausefalle,Uns mit Speck und BrockenAus uns selbst zu locken.Eure LehrergestenSollen die GebrestenUnsrer Seele meistern. —Dringt mit euern Geistern,Seid ihr noch so weise,Nicht in unsre Kreise!Haltet euch bescheidenHinter unsern Leiden!Schleicht nicht wie die DiebeUns in Haß und Liebe!Sonst kann sichs begeben,Daß wir uns beleben,Daß sich unsre Hemmung, Sperrung und BeklemmungPlötzlich eurer wehrtUnd euch fliegen lehrt,Werte Psychologen,In graziösem Bogen.
Wieder zieh man einen Pfaffenmangelhafter Sittlichkeit.Denn er machte sich zu schaffenmit der jungen Weiblichkeit.Ja, es ist das Los der Frommen,daß im Dienst der Liebe meistsie vom rechten Wege kommen,den ihr Amt sie wandeln heißt.Liebe, sagen sie, sei Tugend –doch sei Lieb auch Unmoral –und liebt einer dann die Jugend,gibt es vor Gericht Skandal.Schwer fürwahr ist zu entwirrendieses Zwiespalts Labyrinth;und wenn schon die Hirten irren,bleibt die Herde vollends blind.Seltsam! Doch lehrt die Erfahrung,daß das Volk es stets erkenntohne Pfaffenoffenbarungwann man Liebe – Liebe nennt.