Wo still ein Herz voll Liebe glüht,
O rühret, rühret nicht daran!
Den Gottesfunken löscht nicht aus!
Fürwahr, es ist nicht wohlgethan.

Wenn´s irgend auf dem Erdenrund
Ein unentweihtes Plätzchen giebt,
So ist´s ein junges Menschenherz,
Das fromm zum erstenmale liebt.

O gönnet ihm den Frühlingstraum,
In dem´s voll ros´ger Blüten steht!
Ihr wißt nicht, welch ein Paradies
Mit diesem Traum verloren geht.

Es brach schon manch ein starkes Herz,
Da man sein Lieben ihm entriß,
Und manches duldend wandte sich,
Und ward voll Haß und Finsternis.

Und manches, das sich blutend schloß,
Schrie laut nach Luft in seiner Noth,
Und warf sich in den Staub der Welt;
Der schöne Gott in ihm war tot.

Dann weint ihr wohl und klagt euch an;
Doch keine Thräne heißer Reu
Macht eine welke Rose blühn,
Erweckt ein todtes Herz auf´s neu.

Emanuel Geibel
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