Wer klappert von dem Turme Seltsamen Gruß mir? horch! Das ist in seinem Neste Mein alter Freund, der Storch. Er rüstet sich zur Reise Weit über Land und See, Der Herbst kommt angezogen, Drum sagt er uns Ade!Hast recht, daß du verreisest, Bei uns wird´s kahl und still, Grüß mir das Land Italien Und auch den Vater Nil.Es werde dir im Süden Ein besser Mahl zuteil, Als deutsche Frösch´ und Kröten, Maikäfer und Langweil´!Behüt´ dich Gott, du Alter, Mein Segen mit dir zieht, Du hast in stillen Nächten Oftmals gehört mein Lied.Und wenn du nicht zufällig Im Nest verschlafen bist, So hast du auch gesehen, Wie sie mich einst geküßt.Doch schwatz nicht aus der Schule, Schweig still, alter Kumpan! Was geht die Afrikaner Die Lieb´ am Rheine an?
Maimorgengang, o still Entzücken:Der Äther strahlt im reinsten Blau,Und bräutlich will der Wald sich schmückenMit zartem Grün und Silbertau.Mit weichem, träumerischem SchläfernStrömt rings ein lauer Frühlingsduft,Und mit den Faltern und den KäfernDurchfliegt ein Blütenschnee die Luft;Die Halden blühn, die jüngst noch dorrten:Sieh´, es ist alles neu geworden.Erneut im Licht! so will´s des LebensGesetz, das allen Stoff durchkreist,Ahrimans Winter drohn vergebens,Der Sieg verbleibt dem guten Geist.Sein weltverjüngend MaienwunderWeckt Saft und Farbe, Ton und Klang,Drum schallt von allen Wipfeln munterDer Nachtigallen Lobgesang.Sie jubeln seiner denn in Worten:Sieh´, es ist alles neu geworden.Im Kies verstrüppter UferdämmeSchleicht heut mein Pfad feldaus, waldein,Da spiegeln wilde BirnbaumstämmeMit Ulm´ und Esche sich im Rhein.Auch ihn erfreun des Maien Wonnen,Sein Schuppenvolk taucht wohlig vor,Der Aal kommt schlängelnd sich zu sonnen,Laut plätschernd schnalzt der Hecht empor,Und murmelnd trägt´s die Flut gen Norden:Sieh´, es ist alles neu geworden.Gekränktes Herz, wozu dein Härmen?Streif ab den fleckendunkeln Rost,Laß dich von diesen Lüften wärmenUnd schöpf´ aus dieser Landschaft Trost!Kein Leid, kein Groll darf allzeit dauern,Es kommt der Tag, da alles grünt,Da Kränkung, Schuld und herbes TrauernIn goldner Sonne Strahl sich sühnt,Auch im Gemüt, wie allerorten,Sieh´, es ist alles neu geworden.Und ruht im kühlen Schoß der ErdeVon allem Schmerz dein sterblich Teil,Getrost, getrost! ein kräftig „Werde!"Beruft dich einst zu bessrem Heil.Aus ird´schen Stoffs und Grams VerzehrungReist unsichtbar ein frischer Keim,Den eines andern Mal VerklärungZur Blüte bringt in anderm Heim.Dort rauscht´s in höheren Akkorden:Sieh´, es ist alles neu geworden.Am Rhein bei Dettenheim, den 1. Mai 1869
Nacht, wie bist du lang und bange, Wenn sich auf den müden Mann nicht Mit dem Schatten auch der Schlummer Und der Traum herniedersenkt. Rastlos graben die Gedanken In dem Schutte des vergangnen, Alten Lebens Trümmer wühlen Sie hervor, doch nirgends fröhlich Haftet drauf der Blick, er schaut nur Dunkle, trübgespenst´ge Bilder, Ihnen fehlt des Tages Sonnlicht. Unerquickt dann in die Ferne Schweift der Geist dess´, dem der Schlaf fehlt, Schmiedet Pläne, faßt Entschlüsse, Baut sich stolze, luft´ge Schlösser, Doch wie Fledermäus´ und Eulen Schwirrt um sie der Schwarm der Zweifel Und verscheucht ihm Mut und Hoffnung.
Vorbei ist die Zeit, wo der Mensch noch nicht Den Erdball unsicher machte, Wo der Urwald unter dem Vollgewicht Des Mammutfußtritts erkrachte. Vergeblich spähst du in unserm Revier Nach dem Löwen, dem Wüstensohne; Es ist zu bedenken: wir leben allhier In sehr gemäßigter Zone.In Leben und Dichtung gehört das Feld Nicht dem Großen und Ungemeinen; Und immer schwächlicher wird die Welt, Noch kommen die Kleinsten der Kleinen.Sind wir Katzen verstummt, so singt die Maus, Dann schnürt auch die ihren Bündel; Zuletzt jubiliert noch in Saus und Braus Das Infusorien-Gesindel. (einzellige Wimperntierchen)
»Manch ein schwer Problema hab´ ichPrüfend in dem KaterherzenSchon erwogen und ergründet,Aber eins bleibt ungelöst mir,Ungelöst und unbegriffen:Warum küssen sich die Menschen?´s ist nicht Haß, sie beißen nicht,Hunger nicht, sie fressen sich nicht.´s kann auch kein zweckloser, blinderUnverstand sein, denn sie sind sonstKlug und selbstbewußt im Handeln,Warum also, frag´ umsonst ich,Warum küssen sich die Menschen;Warum meistens nur die jüngern?Warum diese meist im Frühling?Über diese Punkte werd´ ichMorgen auf des Daches GiebelEtwas näher meditieren.«
Eigner Sang erfreut den Biedern, Denn die Kunst ging längst ins Breite, Seinen Hausbedarf an Liedern Schafft ein jeder selbst sich heute. Drum der Dichtung leichte Schwingen Strebt´ auch ich mir anzueignen; Wer wagt´s, den Beruf zum Singen Einem Kater abzuleugnen?Und es kommt nicht minder teuer, Als zur Buchhandlung zu laufen Und der andern matt´ Geleier Fein in Goldschnitt einzukaufen.
An dem Ende seiner Tage Steht der Kater Hiddigeigei, Und er denkt mit leiser Klage, Wie sein Dasein bald vorbei sei. Möchte gerne aus dem Schatze Reicher Weisheit Lehren geben, Dran in Zukunft manche Katze Haltpunkt fänd´ im schwanken Leben.Ach, der Lebenspfad ist holpernd, – Liegen dort so manche Steine, Dran wir Alte, schmählich stolpernd, Oftmals uns verrenkt die Beine.Ach, das Leben birgt viel Hader Und schlägt viel unnütze Wunden, Mancher tapfre schwarze Kater Hat umsonst den Tod gefunden.Doch wozu der alte Kummer, Und ich hör´ die Jungen lachen, Und sie treiben´s noch viel dummer, Schaden erst wird klug sie machen.Fruchtlos stets ist die Geschichte; Mögen sehn sie, wie sie´s treiben! – Hiddigeigeis Lehrgedichte Werden ungesungen bleiben.
Die Sommernacht hat mir´s angetan, Das ist ein schweigsames Reiten, Leuchtkäfer durchschwirren den dunkeln Grund Wie Träume, die einst zu guter Stund´ Das sehnende Herz mir erfreuten. Die Sommernacht hat mir´s angetan, Das ist ein schweigsames Reiten, Die Sterne funkeln so fern und groß, Sie spiegeln so hell sich im Meeresschoß, Wie die Lieb´ in der Tiefe der Zeiten.Die Sommernacht hat mir´s angetan, Das ist ein schweigsames Reiten, Die Nachtigall schlägt aus dem Myrtengesträuch, Sie schlägt so schmelzend, sie schlägt so weich, Als säng´ sie verklungene Leiden.Die Sommernacht hat mir´s angetan, Das ist ein schweigsames Reiten, Das Meer geht wild, das Meer geht hoch; Was braucht´s der verlorenen Tränen noch, Die dem stillen Reiter entgleiten?