Chidher, der ewig junge, sprach:Ich fuhr an einer Stadt vorbei,Ein Mann im Garten Früchte brach;Ich fragte, seit wann die Stadt hier sei?Er sprach, und pflückte die Früchte fort:"Die Stadt steht ewig an diesem Ort,Und wird so stehen ewig fort."Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich keine Spur der Stadt;Ein einsamer Schäfer blies die Schalmei,Die Herde weidete Laub und Blatt;Ich fragte: "Wie lange ist die Stadt vorbei?"Er sprach, und blies auf dem Rohre fort:"Das eine wächst, wenn das Andre dorrt;Das ist mein ewiger Weideort." –Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich ein Meer, das Wellen schlug,Ein Schiffer warf die Netze frei;Und als er ruhte vom schweren Zug,Fragt´ ich, seit wann das Meer hier sei?Er sprach, und lachte meinem Wort:"So lang als schäumen die Wellen dort,Fischt man und fischt man in diesem Port." –Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich einen waldigen Raum,Und einen Mann in der Siedelei,Er fällte mit der Axt den Baum;Ich fragte, wie alt der Wald hier sei?Er sprach:" Der Wald ist ein ewiger Hort;Schon ewig wohn´ ich an diesem Ort,Und ewig wachsen die Bäum´ hier fort." –Und aber nach fünfhundert JahrenKam ich desselbigen Wegs gefahren.Da fand ich eine Stadt, und lautErschallte der Markt vom Volksgeschrei.Ich fragte: Seit wann ist die Stadt erbaut?Wohin ist Wald und Meer und Schalmei?Sie schrien, und hörten nicht mein Wort:"So ging es ewig an diesem Ort,Und wird so gehen ewig fort." –Und aber nach fünfhundert JahrenWill ich desselbigen Weges fahren.
Ich lebe nun mein Leben in Gedanken,Lebendiger als in der Tat es war,Gehoben seh´ ich Hemmungen und Schranken,Hinweggeräumt Verlockung und Gefahr:Daß doch so gut es ging, Gott muß ich´s danken,Nicht besser konnt´ es gehn, viel schlimmer gar.
Was ich ahnte, was ich träumte,war so viel, doch nicht genug,bis ich weg die Zweifel räumteund die Dunkelheit zerschlug.Ist nun mehr die vielgepries´neEinsicht als der Dämmerflor ?Minder scheint das Klarbewies´ne,als mir dunkel schwebte vor.Reizen mag nur als unendlich,dessen Ziel du nicht gesehn;und was dir erst ward verständlich,ist nicht wert mehr zu verstehn.
Sind ein Paar kalterFreunde Winter und Alter:Winter schröpfend,Alter erschöpfend;Winter zwackend,Alter plackend;Winter pustend,Alter hustend;Winter geht,Alter steht:Gerne wär´ ich der beiden quitt,nähme Winter das Alter mit.
An der Birke Stamm gelehnt,Sah ich ihn sich biegen,Und die Wolke weißgedehntÜber ihm sich wiegen;Hin mit ihr zu fliegenHab ich mich empor gesehnt.Lieblich steuerst du dein Boot,Wolke, Götterbote,Angehaucht von Morgenrot,Und vom Abendrote;Stände zu GeboteMir dein Zaubermachtgebot!Dich verwandelnd wie ein Traum,Füllest du die LeereMit Gestalt, den HimmelsraumBald mit Schlacht und Heere,Bald im blauen MeereRagst du Fels, und stiebst du Schaum.Was die Seele wünschen mag,Zeigest du im Bilde,Vor der Sonn am heißen TagDienest du zum Schilde,Und von deiner MildeBettelt Tau der Frühlingshag.
Seufzend sprach ich zu der Liebe,als ich sie entschleiert sah:"Ach, daß so Dein Antlitz bliebemeinen Blicken ewig nah!Doch wie Dich die Sehnsucht freierschauet einen Augenblick,senket wieder sich der Schleierund verdüstert mein Geschick."Liebe sprach: "In ewig reinemLichtestrahl ich – o du Tor:Nicht von meinem, sondern deinemAngesichte hängt der Flor!"
In einem Lande möcht´ ich wohnen,Wo der Natur gesetzter ZwangHinwandeln läßt durch glüh´nde ZonenDes Jahres unverrückten Gang;Wo nach des Winters RegengüssenEin langer fester Sommer kommtUnd auch die Menschen fühlen müssen,Daß nicht ein wirrer Wechsel frommt.Und wäre das mir nicht beschieden,So möcht´ ich wohnen an dem Pol,Wo eines tiefen Winters FriedenIch mir ließ auch gefallen wohl;Da muß des Menschen Geist versenkenSich können in des Daseins SchachtUnd still sich nach den Sternen lenkenIn ewig heller Winternacht.Unselig ist der Mitte Schwanken,Dem hier wir unterworfen sind,Wo Stunden wechseln wie GedankenUnd die Gedanken wie der Wind;Wo keine ruhige EntfaltungErlaubt des Jahrlaufs wilde HastUnd in verworrner WelthaushaltungMensch und Natur hat nirgends Rast.
Ich habe geklopft an des Reichtums Haus;Man reicht mir ´nen Pfenning zum Fenster heraus.Ich habe geklopft an der Liebe Tür;Da stehen schon fünfzehn andere dafür.Ich klopfte leis an der Ehre Schloß;"Hier tut man nur auf dem Ritter zu Roß!Ich habe gesucht der Arbeit Dach;Da hört´ ich drinnen nur Weh und Ach!Ich suchte das Haus der Zufriedenheit;Es kannt es niemand weit und breit.Nun weiß ich noch ein Häuslein still,Wo ich zuletzt anklopfen will.Zwar wohnt darin schon mancher Gast,Doch ist für viele im Grab noch Rast.
Und wer den Tadel an den Mannnicht bringen kann,in keinerlei Umschreibung,der bringt ihn, wenn er sich besann,zuletzt als Übertreibungdes Lobes an.
Die Sonne sprach: O Mond, ich wendeDer lieben Erde nun mich abUnd lasse dich zurück; o spendeIhr alles das, was ich nicht gab.Ich gab ihr die ErregungDes Lichtes und der Lust,Verleih´ ihr nun die HegungDes Glücks in stiller Brust.Wo sengend trafen meine StrahleDarauf geuß einen Tropfen Tau,Und was durch mich gewelkt im Thale,Das zu erfrischen atme lau.Und was ich den GedankenNicht zeigen durft´ im Raum,Das laß der Seele RankenUmfahn in duft´gem Traum.Und wenn ich kehr´ am Morgen wieder,Will ich mich deiner Hilfe freun;Gelabte Schläfer werden Lieder,Erwachte Blumen Weihrauch streun.Jedwede Knosp´ am Baume,Von dir gepflegt, gedeiht,Und was du gabst im Traume,Mach´ ich zur Wirklichkeit.