Ein Gotenknecht im ApfelbaumTräumt einen jungen Wandertraum.Er hält das Bild der KaiserinUnd schaut zum Waldgebirge hin. Dort, wo am duftgen HorizontDie Frühlingssonne wärmer sonnt,Wo blauer strahlt des Himmels Blau,Dort liegt der benedeite Gau, Dort thront die wunderbare Stadt,Die Ruhm und üppige Frauen hat.Sein Auge netzt ein Tränenstrom,Und seine Lippen lallen "Rom".In einer grauen RegennachtHat er sich heimlich aufgemacht,Und unaufhaltsam weiter fliehtSein Fuß, wohin das Herz ihn zieht. Er leidet Hunger, Durst und Not,Gefahr aus allen Büschen droht;Er nimmt es alles für GewinnUnd küßt das Bild der Kaiserin. In Ravensburg von ungefährLag stationiert ein römisch Heer.Sie peitschten ihn zum AnbeginnUnd schenkten ihn der Kaiserin. Die hörte staunend und gerührtDen Eros, der ihn hergeführt.Sie hat ihn huldvoll angeblicktUnd zu den Bestien hingeschickt. Am Kreuze hing der Gotenknecht.Warum nicht? Das ist römisch Recht.Ein Bär zerfleischte seine Brust.Da hast du römische Sinnenlust.
Es kam einmal vom Himmel her ein Schlitten rot und weiß,Vom Christkind unverhofft gebracht zum Lohn für Gerdas Fleiß.Sie zählte schon das Einmaleins und schrieb das ABC,Und jeden Morgen spähte sie nach dem ersehnten Schnee.Heut stürmt sie nach dem Tannenrain, in Pelze eingehüllt,Das Ohr mit weisem Mahnungswort, das Herz mit Glück gefüllt.Schon sitzt sie, schaut sich trotzig um: "Achtung! Hurra! aus Weg!"O weh, das steife Fuhrwerk bockt im Zickzack krumm und schrägMit offnem Mund keucht sie bergan, versuchts zum andern Mal.Der Schlitten stolpert links und rechts, doch gleitet nie zu Tal.Inzwischen dunkelts im Zenit. Ein flaumig FlockenheerFlüstert vom Himmel leis herab, und einsam wird umher.Ihr wird so bang, ihr wird so kalt, das Weinen steht ihr nah.Und müder stets und matter tönt ihr klägliches Hurra.Sieh da, was blinkt und schimmert dort im Tannendickicht? Schau,Auf einem moosbewachsnen Strunk sitzt eine hehre Frau,Im Königsmantel blank und rein, mit Hermelin bestickt."Soll ich dir helfen, gutes Kind?" versetzt sie. Gerda nickt.Sie nimmt das Mädchen auf den Schoß, fein sanft und warm gewiegt.Juch, wie mit lustgem Federschwung der Schlitten talwärts fliegt!Verschwunden ist die Müdigkeit, das Auge jauchzt und strahlt.Und unversehens glänzt die Welt mit Märchenschein bemahlt.Es lebt der Wald, es singt die Luft, so hold, man glaubt es kaum.Diamanten sprüht das Gletscherfeld und Sterne sprießt der Baum."Gerda!" erscholl der Mutter Ruf. Sie hört es mit VerdrußDie Frau erschrickt, erhebt sich, flieht nach einem kurzen Kuß.Nach sieben Tagen blies der Föhn vom Berge lau und lind.Was weinen und was wimmern so die Glocken durch den Wind?Schulmädchen folgen einem Sarg, den Wagen lenkt der Tod.Verlassen steht im Kämmerlein der Schlitten weiß und rot.Ein grünes Kränzlein liegt darauf mit einem Bibelspruch.Und ewig klafft im Einmaleins ein ungelöster Bruch.
Mir war, ich triebe durch den Ozean,Allein, in einem schlecht gebauten Kahn.Da schwamm von Osten wimmelnd übers MeerEin tausendfüßiger Polyp daher.Und jeder seiner Füße, seiner TastenTrug ein Gesicht, mit Augen, die mich haßten."Ihr Mörder", schrie ich, "wars euch nicht genug,Daß euer Lästerzahn mir Wunden schlug,Die täglich bluten, unaufhörlich schwären?Soll die Verfolgung übers Weltmeer währen?"Umsonst. Schon wälzt er sich ins Boot. Im NuDas Ruder schwingend, schlug ich blindlings zu.Da zitterte das fürchterliche Tier,Als wie zum Tode wund und ließ von mir.Schnellfüßig floh es übers Meer zurück.Die losen Glieder fielen Stück um Stück.Der Mantel starb. Und aus dem eklen LeibErhob sich unversehns ein blühend Weib,Umstrahlt von wundersamem Farbenglanz.Sie lächelte und drehte sich zum Tanz.Die Arme waagrecht wie am Kreuz gehalten,Schlug sie ihr Kleid in prächtigen Flügelfalten.Je ferner, desto holder ihre MienenUnd desto wonniger die Serpentinen.Mit meinen Blicken folgt ich unverwandtDem Zauberspiel, von süßem Schreck gebannt.Und als es endlich meinem Aug entschwand- "Triumph" dacht ich zu rufen siegbewußt -,Da quoll ein Seufzer tief mir aus der Brust.
Bei strömendem Regen im BiwuakKampierten drei müde Rekruten.Sie legten den Kopf auf den MantelsackUnd zogen den Hals in die KuttenDer Regen rauschte, sie merktens kaum,Und sachte, vom Wunsch zum GedankenBegann in Bälde ein tröstlicher TraumVor ihren Augen zu schwanken.Sie meinten in ihrer Phantasei,Als wären sie schon Generäle,Im Schlachtengetümmel und FeldgeschreiDiktierend die barschen Befehle.Gemeinsam dünkte den dreien vereint,Man wolle sie überflügelnUnd unerschöpflich flute der FeindHerab von den mörderischen Hügeln.Und Adjutanten kämen gesprengt,Bleichwangig, umblitzt von Granaten:"Wir sind umzingelt und eingezwängt.Man meutert. Man wähnt sich verraten."Da sprach der erste: "Ich hab einen KernVon Jägern und von Husaren.Der Teufel ist ledig und Hilfe ist fern,Jetzt gilt es, die Ehre zu wahren."Ingrimmig faßt er den Säbelknauf,Ermahnte zur Pflicht und zur Ehre,Dann vorwärts ging es in rasendem Lauf,Als ob es der Sturmwind wäre.Aus tausend Schlünden zischte der Tod,Sie grüßten ihn ohne Bangen,Die meisten färbten den Boden rot,Er fiel und wurde gefangen.Bewundernd pflegt ihn der edle FeindUnd schenkt ihm den rühmlichen Degen.Er hatte seit Jahren nie geweint,Jetzt spürt er im Auge sich´s regenDer zweite sprach: "Ich habe zur HandEin Häuflein von Veteranen,Ergeben Gott und dem VaterlandGehorsam dem Winke der Fahnen."Rasch formt er das Viereck zum letzten Stoß."Brüder", begann er begeistert,"Gott ist uns dawider, der Feind ist zu groß,Der Tod nur wird niemals bemeistert.Heut heißt es bekunden, was einer wert,Und ob den Vätern wir gleichen.Wir kämpfen, so lange der Atem währt,Und hemmen den Durchpaß als Leichen.""Hurra!" erscholl es wie Donnergebraus.Dann rückten sie mit GesangeLangsam aus dem schirmenden Hohlweg hinausZum heiligen Todesgange.Und als am Abend nach bitterem StreitMan sah nach den Toten und Wunden,Da ward von dem SamaritergeleitEin schaurig Schauspiel gefunden.Zu Bergen starrte die tapfere Schar,Leichnam auf Leichnam geschichtet,Im toten noch boten Trotz sie dar,Das Antlitz feindwärts gerichtet.Und Freund und Gegner entblößten sich stummVor des Anblicks grausiger Schöne,Und flüsternd gings in den Reihen um:"Hier schaut man Heldensöhne."Doch der dritte schweigend die Karte lasAuf der Brüstung der Kirchhofmauer.Mitunter hob er das AugenglasUnd nahm den Feind auf die Lauer.Er spähte nach rechts und spähte nach links,Die Augen funkelnd vor Tücke.Wahrhaftig entdeckt er plötzlicherdingsIm Ring die erlösende Lücke.Und eh einer wußte, wie das geschah,Hatt er flugs in die Bresche geschmissenDie Reserven alle von fern und nahUnd dem Feinde die Walstatt entrissen.Der Regen plätscherte nach wie vor.Da stieg auf verborgenen StegenGewappnet ein riesiger Geist emporUnd schwebte heran durch den Regen.Er nickte dem letzten: "Herr General,Wir lernen uns näher kennen.Ob früher, ob später, es wird einmalDer Ruhm deinen Namen nennen.Ihr andern beide, merkt euch den Satz:Entschlagt euch das Oberbefehlen.In jeglichem Regimente ist PlatzFür mutige Fähndrichsseelen.Pflicht, Ehre, Begeisterung geb ich euch feil,Sich bescheidend im Unterliegen.Generäle brauch ich im Gegenteil,Die nicht vergessen zu siegen."
Das Schiff ging seinen steten Gang,das Meer war weit, der Tag war lang.Ich lag im dumpfen Kämmerlein,da kam ein Traum zu mir herein. Mir war, ich stände ohne Zweckund Absicht auf dem Achterdeck.Da flog ein Engel, wohlbekannt,aus meinem teuren Mutterland,schwebt´ auf den Wellen, glitt und schliffim Wettstreit mit dem schnellen Schiff.Die Flügel schwang er durch die Luft,da quoll´s wie Heimatsbergesduft.Dann sang er einen starren Ton.Da leuchtete die Welt davon.Ein zweiter Engel nach ihm sangdenselben starren schönen Klang,und kaum erschloss er seinen Mund,so grünte rings die Welt im Rund.Und immer neue Engel mehrerschienen durch die Luft daher.Mit rosigem Farbentaumeltanzumringten sie das Schiff im Kranz.Jetzt hoben sie sich plötzlich aufund flatterten zum Deck hinauf.Die einen setzten sich aufs Bord,die andern auf die Segelrah´,wohin mein trunk´nes Auge sah,ein liebes Antlitz grüßte dort. Sie wechselten den Platz im Flug.Die Schwingen blitzten Zug auf Zug.Vom Bugspriet bis zum Mastenspitz zuckte der Silberflügel Blitz. Mir ward so wohl, mir ward so weich,ich schrie: »O Gott, wie bin ich reich.« Doch als ich wiederum erwacht´,umfing mich kalte Regennacht.Schnöde Gesichter um mich her,und um und um das öde Meer.Ich leg´ den Kopf auf meinen Arm:»Wie war ich reich, wie bin ich arm.«
Mir war im Traum, sie täten dich begraben,An einem Sonntag, draußen unterm Wald,Mit Singen und mit Beten. Leisen TrittesDurch eine Seitenpforte naht ich traurig,Entblößten Haupts von hinten der Versammlung. Da stockte plötzlich der Gesang. Erstaunt,Mit scheuen Blicken starrten sie nach mir.Die Mesner zischelten. Ein GärtnerjungeSchob mir mit dienstbeflißnem Grinsen heimlichDurch meine Finger einen Kranz von Dornen.Aber die Menge teilend trat der PfarrerMir feierlich entgegen, schrieb das KreuzAuf meine Stirne, hielt die Heilige SchriftMir auf die Brust und las mit lauter Stimme:"Vergib, auf daß man dir vergebe", las er.Da regte sichs im Dornenkranz und wuchsUnd quoll wie Blust im Frühling. Rote, samtne,Großmächtge Königsrosen fraßen wucherndDie lichte Luft, den leiderfüllten Kirchhof.Blieb nichts mehr übrig als ein stilles Antlitz,Von Schmerz verschönt, die lieben Heimataugen,Wehmütigen Blicks mich grüßend durch die Rosen.
Im Traume wars. Ein PilgerschwarmVon Männern und von Frauen zogDurch meine Heimat Hand in Hand,Lobsingend einen süßen Psalm.Im letzten Gliede schreitend folgtIch selig der verwandten Schar.Da schwang durch den harmonischen Chor,Vom Haupt des Zuges, unsichtbarsich eine Stimme jung und frischUnd klar, weithin Gebirg und TalVergoldend mit dem sonnigen Sang.Allein die Stimme jauchzte falsch,Im Tone hinkend und im Takt.Und ob dem wundersamen SangSo schön, so innig und so falsch,Warf ich mich schluchzend auf den Weg,Die Zähne klemmend in die Faust,Die Stirn im heimatlichen Staub.
Maien auf den Bäumen, Sträußchen in dem Hag.Nach der Schmiede reitet Janko früh am Tag.Blütenschneegestöber segnet seine Fahrt,Lilien trägt des Rößleins Mähne, Schweif und Bart,Lacht der muntre Knabe: »Sag´ mir, Rößlein traut,Bist bekränzt zur Hochzeit, doch wo bleibt die Braut?« Horch, ein Pferdchen trippelt hinter ihm geschwind,auf dem Pferdchen schaukelt ein holdselig Kind.Solche kleine Fante nimmt man auf den Schoß,auf die Schulter wirft er´s spielend: Ei! wie großZappelnd schreit die Kleine: »Böser Bube du!Weh! ich hab verloren meinen Lilienschuh.« Rückwärts sprengt er suchend ein geraumes Stück.Wie er mit dem Schuhe eilends kam zurück,an des Kindes Stelle saß die schönste Maid.Da geschah dem Jungen süßes Herzeleid.Flüsterte die Schöne: »Liebster Janko mein,hab´ ein kostbar Ringlein, strahlt wie Sonnenschein.Bin dir hold gewogen, schenk´ es dir zum Pfand.Weh! ich hab´s vergessen, badend an dem Strand.« Wie er mit dem Ringlein wiederkehrte: schau,Hing gebückt im Sattel eine welke Frau.Ihre Zunge stöhnte: »Janko! du mein Sohn,weh! ein Tröpfchen Wasser! Schnell! um Gotteslohn.« Wie er mit dem Wasser kam zum selben Ort,war zu Staub und Asche Weib und Pferd verdorrt.
Wann wars, daß wir lagen im grünen Gras?Im Juli ferne.Was sagtest du, daß du mich habest, was?"Kein bißchen gerne."Was blühte dir in den roten Mund?Mariamargretchen.Wem meintest du, daß du gleichest im Grund?"Einem Gartenbeetchen."Ich sprach: "Ja, was soll ich nun eigentlich Kraut,Wen Unkraut nennen?"Wie ein Iltis hast du mich angeschaut.Nicht zu verkennen.Wir hatten auf unserm SommersitzVergnüglich gedauert.Da kam hinterm Hügel ein KirchturmspitzHervorgelauert."Ja komm nur, du Frommer! und spionier!Spitz Nas´ und Ohren!Notiere dir jeden Kuß wegen mir!Bist stumm geboren.Was nützt dir der Zeiger im ZifferblattAls Stunden zu drehen?Gut, daß er kein Sprachrohr im Schnabel hat,Er würd´ uns verkrähen."Und weil einmal Leichtsinn und Würde nicht sehrZusammenpassen,So schnitten wir eben, es war nicht schwer,Dem Kirchturm Grimassen.Wir stiegen am Abend voll blauen GlücksAus dem grünen Himmel.Da verfolgt uns der Kirchturm hinterrücksMit Glockengebimmel:"Fürio! ihr Leute! Landjäger herbei!Weglagerer, Diebe!Es zünseln, es brenzeln die beiden zweiBrandstiftende Liebe!""Ei, daß dich das Wetter, du Schreihals du!Der Blitz soll dich treffen!Uns erst mit erlogener KirchhofruhSo schändlich zu äffen!"Was hilfts? jetzt weiß doch die Lästerwelt,Wie wir es halten.Drum wollen wir nur um so fester, gelt?Zusammenhalten.