Wir gingen durch die stille milde Nacht, dein Arm in meinem, dein Auge in meinem. Der Mond goß silbernes Licht über dein Angesicht, wie auf Goldgrund ruhte dein schönes Haupt. Und du erschienst mir wie eine Heilige, mild, mild und groß und seelenübervoll, heilig und rein wie die liebe Sonne. Und in die Augen schwoll mir ein warmer Drang, wie Tränenahnung. Fester faßt´ ich dich und küßte, küßte dich ganz leise.
Nun sich die Knospen aus den Zweigen drängen,blühende Kräfte morsche Bande sprengen,wohin du siehst, wacht alles fröhlich auf -:Nun sei in deiner Seele rein und heiter,Erzengel rechts und links dir als Begleiter,nimm in den Morgen fröhlich deinen Lauf! Die Schwingen streifen dich an beiden Seiten,um dich der Engel Atem im Geleiten,wie muß dein Schritt jetzt frei und kräftig sein!Schreit´ aus und glaube: Dir erklang das Werde!Schick´ deine Blicke aus: Die ganze Erdeblüht dir ans Herz: Was schön ist, das ist dein! Denn der ist König über alle Dinge,und den berührt der Engel goldene Schwinge,der seine Blicke so aussenden kann,daß sie wie Adler Beute heimwärts tragen,und dem die Morgenstunde leuchtend sagen:Du Mensch mit hellen Augen, nimm uns an!
Die Erde hat gebebt und ihr geborstner GrundDie Königin am Meer verschlungen,Und schwärzre Trübsal noch droht unsrem armen RundVon schwärmender Propheten Zungen: Wie aus bemoostem Schutt der Uhu, wann die NachtIn furchtbarn Schatten ihn verstecket,Auf stille Dächer fliegt, selbst melancholisch wacht,Und heulend müde Städte wecket. Auf Schwanenfedern horcht die Wollust und erschrickt;Ein Schauer bebt durch ihre Glieder.Der sorgenvolle Geiz, auch schlafend unerquickt,Bebt heut und wuchert morgen wieder. Propheten wimmeln stets in trüber Zeit hervor:Der leichte Pöbel glaubt, er zittert,Wie dürres Laub im Herbst, und wie das schwache RohrDer Flügel eines Wests erschüttert. Ihr Musen, die ihr einst, im Frühling meiner Zeit,Mich mit Ambrosia genähret,Als ihr, in eurem Hayn voll heilger Dunkelheit,Die deutsche Leyer mich gelehret! Zufrieden dank ich euch, daß immer gleiche LustIn meiner Seelen helle scheinet,Und euer stiller Freund nicht, an der Thorheit Brust,Nach Phantasien lacht und weinet. O laßt, zu aller Zeit, mein Antlitz heiter seyn,Nicht bloß in sonnenvollen Tagen,Wann mich die Freude sucht, und Saitenspiel und WeinDie Wolken vor mir her verjagen: Nicht bloß im dunklen Busch und wo die NachtigallBald singend über mir verweilet,Bald an der Quelle seufzt, die reiner, als Crystall,Geschwätzig über Kiesel eilet. Es müss´ auf meiner Stirn, wann schon die Erde bebt,Der göttliche Gedanke schimmern,Daß Tugend glücklich ist und meine Seele lebt,Auch unter ganzer Welten Trümmern!
Frühlings-Seufzer Großer Gott, in dieser Pracht Seh´ ich Deine Wunder-MachtAus vergnüg´ter Seelen an.Es gereiche dir zu Ehren,Daß ich sehen, daß ich hören,Fühlen, schmecken, riechen kann!
Angenehmes Frühlingskindchen, Kleines Traubenhyazinthchen, Deiner Farb und Bildung Zier Zeiget mit Verwundrung mir Von der bildenden Natur Eine neue Schönheitsspur. An des Stengels blauer Spitzen Sieht man, wenn man billig sieht, Deiner sonderbaren Blüt Kleine blaue Kugeln sitzen, Dran, so lange sich ihr Blatt Noch nicht aufgeschlossen hat, Wie ein Purpurstern sie schmücket, Man nicht sonder Lust erblicket. Aber wie von ungefähr Meine Blicke hin und her Auf die offnen Blumen liefen, Konnt ich in den blauen Tiefen Wie aus himmelblauen Höhen Silberweiße Sternchen sehen, Die in einer blauen Nacht, So sie rings bedeckt, im Dunkeln Mit dadurch erhöhter Pracht Noch um desto heller funkeln. Ihr so zierliches Gepränge, Ihre Nettigkeit und Menge, Die die blauen Tiefen füllt, Schiene mir des Himmels Bild, Welches meine Seele rührte Und durch dieser Sternen Schein, Die so zierlich, rein und klein, Mich zum Herrn der Sterne führte, Dessen unumschränkte Macht Aller Himmel tiefe Meere, Aller Welt- und Sonnen Heere Durch ein Wort hervorgebracht; Dem es ja so leicht, die Pracht In den himmlischen Gefilden Als die Sternchen hier zu bilden. Durch dein sternenförmig Wesen Gibst du mir, beliebte Blume, Ein´ Erinnerung zu lesen, Daß wir seiner nicht vergessen, Sondern in den schönen Werken Seine Gegenwart bemerken, Seine weise Macht ermessen Und sie wie in jenen Höhen So auf Erden auch zu sehen.
Flammende Rose,Zierde der Erden,Glänzender Gärtenbezaubernde Pracht;Augen, die deineVortrefflichkeit sehen,Müssen vor Anmut erstaunend gestehen,Daß dich ein göttlicher Fingergemacht.
In einem angenehmen Herbst,bey ganz entwölktem heiterm Wetter,Indem ich im verdünnten Schatten,bald Blätter-loser Bäume, geh´,Und des so schön gefärbten Laubesannoch vorhandnen Rest beseh´;Befällt mich schnell ein sanfter Regen,von selbst herabgesunkner Blätter. Ein reges Schweben füllt die Luft.Es zirkelt, schwärmt´ und drehte sichIhr bunt, sanft abwärts sinkend Heer;doch selten im geraden Strich.Es schien die Luft, sich zu bemühn,den Schmuck, der sie bisher gezieret,So lang es möglich, zu behalten,und hindert´ ihren schnellen Fall.Hiedurch ward ihre leichte Last,im weiten Luft-Kreis überall,In kleinen Zirkelchen bewegt,in sanften Wirbeln umgeführet,Bevor ein jedes seinen Zweck,und seiner Mutter Schooß, berühret;Um sie, bevor sie aufgelöst,und sich dem Sichtlichen entrücken,Mit Decken, die weit schöner noch,als persianische, zu schmücken. Ich hatte diesem sanften Sinken,der Blätter lieblichem Gewühl,Und dem dadurch, in heitrer Luft,erregten angenehmen Spiel,Der bunten Tropfen schwebendem,im lindem Fall formiertem, Drehn,Mit offnem Aug´, und ernstem Denken,nun eine Zeitlang zugesehn;Als ihr von dem geliebten Baumfreywilligs Scheiden (da durch Wind,Durch Regen, durch den scharfen Nord,sie nicht herabgestreifet sind;Nein, willig ihren Sitz verlassen,in ihren ungezwungnen Fällen)Nach ernstem Denken, mich bewog,sie mir zum Bilde vorzustellen,Von einem wohlgeführten Alter,und sanftem Sterben; Die hingegen,Die, durch der Stürme strengen Hauch,durch scharfen Frost, durch schwehren Regenihren Zweigen abgestreift und abgerissen,kommen mir,Wie Menschen, die durch Krieg und Brandund Stahl gewaltsam fallen, für. Wie glücklich, dacht´ ich, sind die Menschen,die den freywillgen Blättern gleichen,Und, wenn sie ihres Lebens Ziel,in sanfter Ruh´ und Fried´, erreichen;Der Ordnung der Natur zufolge,gelassen scheiden, und erbleichen!