Du bist für meine arme SeeleWie treuer Stab dem Sinkenden,Wie Wein dem gierig Trinkenden,Wie Himmelstrost in Falsch und Fehle.So lebt mein Herz, das ängstlich-zage,Beglückt im Schatten deiner MächteDas halbe Leben meiner Tage,Das ganze Leben meiner Nächte.
Auf hohem Berge, da wohnest du,ich wandle empor, immerzu, immerzu ...Millionen Jahre wandle ich schonund schaue noch immer nicht deinen Thron.Einst rauchen die Höhen wunderbar,da stehe ich oben, Sonne im Haar.Wir schauen uns an und lächeln uns zu,denn du bist ich und ich bin du.
Weiche Hände hat die Nachtund sie reicht sie mir ins Bette;fürchtend, daß ich Tränen hätte,streicht sie meine Augen sacht. Dann verläßt sie das Gemach;rauschen hör´ ich, sanft und seiden;und den Dornenzweig der Leidenzieht sie mit der Schleppe nach.
Mund, der dürstend mir am Munde lag,Und die Augen halb erschöpft geschlossen,Füßchen, die ich hob zum Wagenschlag,Irre Worte, die in eins verflossen,Nachts in finst´ren Fluren Kuß um Kuß,Lange Blicke, die wie Fackeln brannten,Zwischen Tagesanfang und -beschlußBriefe und Verse, die mir Flammen sandten – –Komm´ nur her und sprich, du liebst mich nicht!Und hast mondelang um mich geworben,Mondelang bist du um mich gestorben!Jetzt her den Blick und sprich: "Du liebst mich nicht!"
Das macht die Sommernacht so schwer:Die Sehnsucht kommt und setzt sich herund streichelt mir die Wange.Man hat so wunderlichen Sinn;man will wohin, weiß nicht wohin,und steht und guckt sich bange. Wonach?Die Fackel in der Hand,so weist die Sehnsucht weit ins Land,wo tausend Wege münden.Ach! einen möchte ich schon geh´n,»Nach Hause!« müßte drüber steh´n. –O Herz, nun geh´ ihn finden!
Ein Bissen Brot,Ein Stückchen Wurst,Ein Glas voll WasserFür den Durst,Ein Teller mitGeblümtem Rand,Und ich davor, soHand in Hand …Mein Blick geht leerDarüber hin.Mir will es gar nichtAus dem Sinn,Daß du mich gesternHast geküßtUnd heut´ schon bei derAndern bist.Der Abend kommt.Ich spar das Licht.Zum bißchen EssenBrauch´ ich´s nicht.Und wie es schmeckt,Es ist ja gleich,Ist doch vor lauterThränen weich …
Durch die AbendhelleGeht ein Pärchen hin,Er ein Schmiedgeselle, Sie ist Näherin."Rosel, wenn wir beideEinen Karren ziehn,Ist es doppelt FreudeUnd ein halbes Mühn!"Und sie lehnt sich müdeAn den Liebsten an;Unterm AugenlideZuckt es dann und wann."Rosel, laß das WeinenUm das täglich Brot;War´s genug für einen,Langts für zwei zur Not!"Nahm sie in die Arme,Fragte länger nicht,Streichelte das warme,Glühende Gesicht…Mählich wich die HelleUnd sie gingen weit –Auf dieselbe StelleSetzt ein Weib sich breit.Sah mit grauem Blicke,hob die welke Hand,Drohte mit der Krücke,Murmelte und schwand.Kam das Paar geschrittenIn die Stadt hinein,Saß Frau Sorge mittenSchon im Kämmerlein.
Familie(Meinen Brüdern Albert und Heinrich) Mir wird das Herz so bitterschwer, hol´ ich die alten Bilder her der Eltern und der Brüder. Verwehte Jahre ziehn herauf, vernarbte Wunden wachen auf und zucken plötzlich wieder. Der Vater lief von Haus zu Haus und lief sich fast die Seele aus, fünf Jungens satt zu kriegen. Mit einem Fünfzigpfennigbrot da hat man seine liebe Not... Zehn Kilo müßt´ es wiegen!Die Mutter immer bleich und krank, - das ging so Jahr und jahrelang; wir schlichen nur auf Zehen. Nur manchmal um ihr Bett herum, da saßen wir und hörten stumm die alte Wanduhr gehen.Dann polterte ein Sarg herein, der zog den zweiten hinterdrein, und den schob gleich ein dritter. Die Tischler hatten guten Lohn, die Totengräber grüßten schon und gar die Leichenbitter!Zwei Brüder sind der ganze Rest; die andern hält die Erde fest, die wird nichts wiedergeben. Wir drei, wir schaun uns oft so an – Wer weiß, wer morgen von uns dran – Prost Brüder, ihr sollt leben!
»Dem Auge fern, dem Herzen nah!«Als ich die alte Grabschrift sahim eingesunknen Marmorstein,da fiel mein totes Lieb mir ein . . .O Gott, ich schrieb schon tausendmaldas gleiche Lied aus gleicher Qual,und war doch keins wie dieses da:»Dem Auge fern, dem Herzen nah!«