O wie viel Leben, wie viel ZeitHab´ ich, als kaum beseelt, verloren,Eh´ mich die Gunst der ZärtlichkeitBegeistert und für dich erkoren!Nun mich dein süßer Kuß erfreut,O nun belebt sich meine Zeit!Nun bin ich erst geboren!
Erwache, schöne Schläferin,Falls dieser Kuss nicht zu bestrafen:Doch wenn ich dir zu zärtlich binSchlaf, oder scheine mir zu schlafen.Die Unschuld, die nur halb erwacht,Wann Lieb´ und Wollust sie erregen,Hat öfters manchen Traum vollbracht,Den Spröde sich zu wünschen pflegen.Was du empfindest, ist ein Traum:Doch kann ein Traum so schön betrügen?Gibst du der Liebe selbst nicht Raum:So laß dich dann ihr Bild vergnügen.
Zu meiner Zeit, zu meiner ZeitBestand noch Recht und Billigkeit.Da wurden auch aus Kindern Leute,Aus tugendhaften Mädchen Bräute;Doch alles mit Bescheidenheit.O gute Zeit, o gute Zeit!Es ward kein Jüngling zum Verräter,Und unsre Jungfern freiten später,Sie reizten nicht der Mütter Neid.O gute Zeit, o gute Zeit!Zu meiner Zeit, zu meiner ZeitBefliß man sich der Heimlichkeit.Genoss der Jüngling ein Vergnügen,So war er dankbar und verschwiegen;Doch jetzt entdeckt er´s ungescheut.O schlimme Zeit, o schlimme Zeit!Die Regung mütterlicher Triebe,Der Vorwitz und der Geist der LiebeFährt jetzt oft schon in´s Flügelkleid.O schlimme Zeit, o schlimme Zeit!Zu meiner Zeit, zu meiner Zeitward Pflicht und Ordnung nicht entweiht.Der Mann ward, wie es sich gebühret,Von einer lieben Frau regieret,Trotz seiner stolzen Männlichkeit.O gute Zeit, o gute Zeit!Die Fromme herrschte nur gelinder,Uns blieb der Hut und ihm die Kinder;Das war die Mode weit und breit.O gute Zeit, o gute Zeit!Zu meiner Zeit, zu meiner Zeitwar noch in Ehen Einigkeit.Jetzt darf der Mann uns fast gebieten,Uns widersprechen und uns hüten,Wo man mit Freunden sich erfreut.O schlimme Zeit, o schlimme Zeit!Mit dieser Neuerung im Lande,Mit diesem Fluch im EhestandeHat ein Komet uns längst bedräut.O schlimme Zeit, o schlimme Zeit!
Brief und Wink verhießen mirschon um zwei die liebste Schöne;doch der Zeiger ging auf vier,und mir fehlte noch Climene.So Geduld als Zeit verstrich,und ich schwur, den Trug zu rächen;endlich aber wies sie sich,endlich hielt sie ihr Versprechen."Wie so schön -, sagt´ ich aus Hohn,– hast du alles wahrgenommen!Nur zwei Stunden wart´ ich schon;konntest du nicht später kommen?"Da mein Eifer Raum gewann,wollt´ ich sie noch schärfer lehren;doch "was lärmst du –, hub sie an,– wird man mich denn auch nicht hören?""Ach! Was hab ich itzt vor Schmerzvon der Rosenknosp´ erlitten,die mir rechts bis an das Herzvon der Brust hinabgeglitten!O wie drückt´s mich! Himmel, wie!Hier, hier in der linken Seite!Sieh nur selbst, mir glaubst du nie;doch was glaubt ihr klugen Leute!"Sie entblößte Hals und Brust,mir der Knospe Druck zu zeigen:Plötzlich hieß der Thron der Lustmich und die Verweise schweigen.
Susannens Keuschheit wird von allen hochgepriesen:Das junge Weib, das jeder artig fand,tat beiden Greisen Widerstandund hat sich keinem hold erwiesen.Ich lobe, was wir von ihr lesen;doch räumen alle Kenner ein,das Wunder würde größer sein,wenn beide Buhler jung gewesen.
Wie unvergleichlich istDie Schöne, die recht küßt!In ihren Küssen stecktWas Tausend Lust erweckt. Den Mund gab die NaturUns nicht zur Sprache nur:Das, was ihn süßer macht,Ist, daß er küßt und lacht. Ach, überzeuge dichDavon, mein Kind! Durch michUnd nimm und gib im KußDer Freuden Überfluß.
Tochter der Natur,Holde Liebe!Uns vergnügen nurDeine Triebe.Gunst und Gegen-GunstGeben allenDie beglückte KunstZu gefallen