Die Nacht war schwarz, die Luft war schwül, Ich fand nicht Schlaf auf meinem Pfühl, Mein Sinn ward trüb und trüber; Da schritten die Tage der alten Zeit Zu langem, langem Zug gereiht Wehklagend mir vorüber:»Du hattest den Lenz und du hast ihn entlaubt, Du hattest das Heil und du hast nicht geglaubt, Du hattest ein Herz zum Lieben, Du hast es vertändelt mit eitlem Schein; Nun bist du zuletzt allein, allein Mit deinem Jammer geblieben.Und wie du ringst in bangem Gebet, Es ist zu spät, es ist zu spät, Du darfst von Rast nicht wissen; Dein einsam Herz ist dein Gericht.« Ich aber drückte mein Angesicht Laut weinend in die Kissen.
Wer recht in Freuden wandern will,der geh der Sonn´ entgegen;da ist der Wald so kirchenstill,kein Lüftchen mag sich regen;noch sind nicht die Lerchen wach,nur im hohen Gras der Bachsingt leise den Morgensegen.Die ganze Welt ist wie ein Buch,darin uns aufgeschriebenin bunten Zeilen manch ein Spruch,wie Gott uns treu geblieben;Wald und Blumen nah und fernund der helle Morgensternsind Zeugen von seinem Lieben.Da zieht die Andacht wie ein Hauchdurch alle Sinnen leise,da pocht ans Herz die Liebe auchin ihrer stillen Weise,pocht und pocht, bis sich´s erschließtund die Lippe überfließtvon lautem, jubelndem Preise.Und plötzlich läßt die Nachtigallim Busch ihr Lied erklingen,in Berg und Tal erwacht der Schallund will sich aufwärts schwingen,und der Morgenröte Scheinstimmt in lichter Glut mit ein:Laßt uns dem Herrn lobsingen!
Ich bin ein altes KrokodilUnd sah schon die Osirisfeier;Bei Tage sonn ich mich im Nil,Bei Nacht am Strande leg ich Eier. Ich weiß mit listgem WehgekreischMir stets die Mahlzeit zu erwürken;Gewöhnlich freß ich MohrenfleischUnd sonntags manchmal einen Türken. Und wenn im gelben Mondlicht ringsDer Strand liegt und die Felsenbrüche,Tanz ich vor einer alten Sphinx,Und lausch auf ihrer Weisheit Sprüche. Die Klauen in den Sand gepflanzt,Tiefsinnig spricht sie: Tochter Thebens,Friß nur, was du verdauen kannst!Das ist das Rätsel deines Lebens.
Wolle keiner mich fragen,Warum mein Herz so schlägt.Ich kann´s nicht fassen, nicht sagen,Was mich bewegt.Als wie im Träume schwankenTrunken die Sinne mir;Alle meine GedankenSind nur bei dir.Ich hab die Welt vergessen,Seit ich dein Auge gesehn;Ich möchte dich an mich pressenUnd still im Kuß vergehn.Mein Leben möcht´ ich lassenUm ein Lächeln von dirUnd du – ich kann´s nicht fassen,Versagst es mir.Ist´s Schicksal, ist´s dein Wille?Du siehst mich nicht; –Nun wein´ ich stille, stille,Bis das Herz mir zerbricht.
Ich sah den Wald sich färben,Die Luft war grau und stumm;Mir war betrübt zum Sterben,Und wußt es kaum, warum.Durchs Feld von HerbstgestäudeHertrieb das dürre Laub;Da dacht´ ich: Deine FreudeWard so des Windes Raub!Dein Lenz, der blütenvolle,Dein reicher Sommer schwand;An die gefrorne ScholleBist du nun festgebannt.Da plötzlich flog ein klaresGetön in Lüften hoch:Ein Wandervogel war es,Der nach dem Süden zog.Ach, wie der Schlag der Schwingen,Das Lied ins Ohr mir kam,Fühlt´ ich´s wie Trost mir dringenZum Herzen wundersam.Es mahnt aus heller KehleMich ja der flücht´ge Gast:Vergiß, o Menschenseele,Nicht, daß du Flügel hast!
LiebesglückO wie so leicht in seligen GenüssenSich mir die Stunden jetzt dahinbewegen!Ins Auge schau´ ich dir, bist du zugegen,Und von dir träum´ ich, wenn wir scheiden müssen.Oft zügeln wir die Sehnsucht mit Entschlüssen,Doch will sich stets ein neu Verlangen regen,Und wenn wir kaum verständ´ger Rede pflegen,Zerschmilzt sie wieder uns und wird zu Küssen.Der erste weckt Begier nach tausend neuen,Es folgt auf Liebeszeichen Liebeszeichen,Und jedes scheint uns höher zu erfreuen.Nun erst begreif´ ich ganz den Lenz, den reichen,Wenn er nicht endet, Rosen auszustreuen,Die alle schön sind und sich alle gleichen.
Das ist das alte Lied und Leid,daß die Erkenntnis erst gedeiht,wenn Mut und Kraft verrauchen;die Jugend kann, das Alter weiß;du kaufst nur um des Lebens Preisdie Kunst, das Leben recht zu brauchen.
Es gibt wohl manches, was entzücket,Es gibt wohl vieles, was gefällt,Der Mai, der sich mit Blumen schmücket,Die güldne Sonn´ im blauen Zelt.Doch weiß ich eins, das schafft mehr Wonne,Als jeder Glanz der Morgensonne,Als Rosenblüt´ und Lilienreis;Das ist, getreu im tiefsten SinneZu tragen eine fromme Minne,Davon nur Gott im Himmel weiß.
Minne hält, das wilde Kind,Einen Brauch, wie blind sie fahre,Daß ihr vierundzwanzig JahreLieber stets als vierzig sind;Altersfrost und graue HaareTreiben sie zur Flucht geschwind.Bei des Herzens RosenfestGilt vor aller Weisheit SchätzenSelig Stammeln, süßes Schwätzen,Lipp´ auf Lippe stumm gepreßt;Geist wird nie den Mund ersetzen,Der sich feurig küssen läßt.Was verstrickte denn so jähEinst das junge Herz Isolden,Daß sie sich mit ihrem HoldenGlühend stürzt´ in Schmach und Weh?Tristans Locken wallten golden,König Markes weiß wie Schnee.Darum setze dich zur Wehr,Glänzt in´s alternde GemütheDir der Schönheit Strahl, und hüteDich vor nichtigem Begehr;Minneglück will Jugendblüte,Und du änderst´s nimmermehr.
Sieh, das ist es, was auf ErdenJung dich hält zu jeder Frist,Daß du ewig bleibst im Werden,Wie die Welt im Wandeln ist.Was dich rührt im HerzensgrundeEinmal kommt´s und nimmer so;Drum ergreife kühn die Stunde,Heute weine, heut´ sei froh!Gieb dem Glück dich voll und innig,Trag´ es, wenn der Schmerz dich preßt,Aber nimmer eigensinnigIhren Schatten halte fest.Heiter senke, was vergangen,In den Abgrund jeder Nacht!Soll der Tag dich frisch empfangen,Sei getreu doch neu erwacht.Frei dich wandelnd und entfaltend,Wie die Lilie wächst im Feld,Wachse fort und nie veraltendBlüht und klingt für dich die Welt.