Mädchen, was hast du, was ist dir begegnet,
Hat dir der Tag heut die Laune verregnet,
Siehst so betroffen und wunderlich aus.
Guck mir ins Auge, und häng nicht das Köpfchen,
Soll ichs von hinten her hoch ziehn am Töpfchen,
Mädel, was ist denn, so sprich dich doch aus.

Wird sie verlegen ganz, greift in die Tasche,
Bleibt ihr die Hand dort, ein Fisch in der Masche;
Endlich, Jasminen, wie sind sie mir lieb.
Blitzend dann lacht sie: Ich hab sie gestohlen,
Mußte sie heimlich vom Park her holen,
Hast sie so gern ja, und hier steht der Dieb.

Lachen wir beide, der Weg ist gefunden,
Fliegende Freuden und flatternde Stunden,
Süßes Geplapper, Getändel und Kuß.
Ward doch im Leben aus Liebe, aus Liebe
Einmal auch meinethalb jemand zum Diebe;
Galgen und Rad sind nicht immer der Schluß.

Detlev von Liliencron

Additional Information

»Nebel und Sonne«, 1900

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deutscher Lyriker und naturalistischer Erzähler
* 3.6. 1844 - Kiel
22.7. 1909 - Alt-Rahlstedt
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