Die Sonne sprach: O Mond, ich wendeDer lieben Erde nun mich abUnd lasse dich zurück; o spendeIhr alles das, was ich nicht gab.Ich gab ihr die ErregungDes Lichtes und der Lust,Verleih´ ihr nun die HegungDes Glücks in stiller Brust.Wo sengend trafen meine StrahleDarauf geuß einen Tropfen Tau,Und was durch mich gewelkt im Thale,Das zu erfrischen atme lau.Und was ich den GedankenNicht zeigen durft´ im Raum,Das laß der Seele RankenUmfahn in duft´gem Traum.Und wenn ich kehr´ am Morgen wieder,Will ich mich deiner Hilfe freun;Gelabte Schläfer werden Lieder,Erwachte Blumen Weihrauch streun.Jedwede Knosp´ am Baume,Von dir gepflegt, gedeiht,Und was du gabst im Traume,Mach´ ich zur Wirklichkeit.
Nicht aus eurem Glauben wird sie auferstehen.Aus den Samen ausgesäter Lieder,ausgestreuter Worte über Straßenund in Hütten, kehrt die Menschheit wieder.Scheu umgeht ihr uns als blinde Seher– wie die Blinden, die man nicht zu achtenbraucht im Leben – und die hellen Saaten,die wir säen, lasset ihr verschmachten.Doch in Seelen heimlich eingefallne Worte –ihrem Erdreich könnt ihr sie nicht rauben.Im Gewissen hoher strenger Völkerblühn sie einmal auf zu ewigem Glauben.
Wo bist du, Gott? Ich hab die WälderMit deinem Namen wachgeschrien,Ließ heißaufweinend durch die FelderNach dir der Stimme Sehnsucht ziehn.Ich hab das Meer gefragt, die StürmeNach ihrer Heimat Ewigkeit.Ich schrieb ins Glockenerz der Türme,Wie meine Seele nach Dir schreit.Die Frommen fragt ich, mit den SpötternHab ich beim Weine dich verlacht,Hab in des Meeres BlitzeswetternNach dir gefiebert, Meer der Nacht.Mit Beten, Betteln, Grimm und Fluchen,Mit rastlos unerschöpfter Not –Jetzt steh ich still. Wer hilft mir suchen?Hörst du mich nicht? Wo bist du, Gott?
Das erste Grün der Saat, von Regen feucht,Zieht weit sich hin an niedrer Hügel Flucht.Zwei große Krähen flattern aufgescheuchtZu braunem Dorngebüsch in grüner Schlucht.Wie auf der stillen See ein Wölkchen steht,So ruhn die Berge hinten in dem Blau,Auf die ein feiner Regen niedergeht,Wie Silberschleier, dünn und zitternd grau.
Du bist die RuhDer Friede mild,Die Sehnsucht du,Und was sie stillt.Ich weihe dirVoll Lust und SchmerzZur Wohnung hierMein Aug und Herz.Kehr ein bei mir,Und schließe duStill hinter mirDie Pforten zu.Treib andern SchmerzAus dieser Brust!Voll sei dies HerzVon deiner Lust.Dies Augenzelt,Von deinem GlanzAllein erhellt,O füll es ganz!
Herr Radbot vor der Taufe sprach: "Heil´ger Gottesmann,wo weilt der größte Haufe,der dieser Welt entrann?"Und Wolfram drauf: "Im Himmelist noch für viele Raum,doch drunten das Gewimmel umfaßt der Hölle Raum."Da rief der arge Heide:"Dein Taufen acht ich klein;denn ich will, wenn ich scheide,beim größten Haufen sein."
Was ist des Menschen Denken?Ein Labyrinth voll Nacht!Was ist des Menschen Können?Ach, eines Kindes Macht!Was ist des Menschen Wissen?Von einem Meer ein Schaum!Was ist des Menschen Leben?Ein kurzer, bunter Traum.
Golgatha (Karfreitag) Durch manche Länderstrecke trug ich den Wanderstab,von mancher Felsenecke schaut ich ins Tal hinab;doch über alle Berge, die ich auf Erden sah,geht mir ein stiller Hügel, der Hügel Golgatha.Er ragt nicht in die Wolken mit eisgekrönter Stirn,er hebt nicht in die Lüfte die sonnige Alpenfirn,doch so der Erd entnommen und so dem Himmel nahbin ich noch nie gekommen, wie dort auf Golgatha.Es trägt sein kahler Gipfel nicht Wälderkronen stolz,nicht hohe Eichenwipfel, nicht köstlich Zedernholz;doch, alle Königszedern, die einst der Hermon sah,sie neigen ihre Kronen dem Kreuz von Golgatha.Nicht gibt es dort zu schauen der Erde Herrlichkeit,nicht grüngestreckte Augen, nicht Silberströme breit;doch alle Pracht der Erde verging mir, als ich sahdas edle Angesichte am Kreuz auf Golgatha.Kein Bächlein quillt kristallen dort aus bemoostem Stein,nicht stolze Ströme wallen von jenen Höhn landein;doch rinnt vom Stamm des Kreuzes in alle Lande daein Born des ew´gen Lebens das Blut von Golgatha.Dort schlägt der stolze Heide stillbüßend an die Brust,des Schächers Todesleide entblühet Himmelslust;dort klingen Engelsharfen ein selig Gloria,die Ewigkeiten singen ein Lied von Golgatha.Dorthin, mein Erdenpilger, dort halte süße Rast;dort wirf dem Sündentilger zu Füßen deine Last!Dann geh und rühme selig, wie wohl dir dort geschah,der Weg zum Paradiese geht über Golgatha
Du im vorausverlorne Geliebte, Nimmergekommene,nicht weiß ich, welche Töne dir lieb sind.Nicht mehr versuch ich, dich, wenn das Kommende wogt,zu erkennen. Alle die großenBilder in mir, im Fernen erfahrene Landschaft,Städte und Türme und Brücken und unvermutete Wendungen der Wegeund das Gewaltige jener von Götterneinst durchwachsenen Länder:steigt zur Bedeutung in mirdeiner, Entgehende, an.Ach, die Gärten bist du,ach, ich sah sie mit solcherHoffnung. Ein offenes Fensterim Landhaus –, und du tratest beinahemir nachdenklich heran. Gassen fand ich, –du warst sie gerade gegangen,und die Spiegel manchmal der Läden der Händlerwaren noch schwindlich von dir und gaben erschrockenmein zu plötzliches Bild. – Wer weiß, ob derselbeVogel nicht hinklang durch unsgestern, einzeln, im Abend?
Es blühen dir Rosen jeglichen Tagin einem verschwiegenen Rosenhag– und du weißt nichts davon.Von Blut darin ein Brunnen springt,und Blut die Blätter der Rosen durchdringt– und du weißt nichts davon.Und weil ich sie dir nicht schneiden mag,verwelken dir Rosen jeglichen Tag– und du weißt nichts davon.So blühen sie auf, so gehen sie hin;und ist in allen mein Herzblut darin– und du weißt nicht davon.Nur manches Mal, da brech ich direine rote Rose von meinem Spalierals ein Lied, das nicht welken mag.Dann weißt du von mir ein kleines wohl;und weißt doch nimmer, wie übervollvon Rosen stehet der Hag.