Leise atmend, halb entschlummert
Liegt das Kind im Bettchen klein:
Plötzlich, durch das offne Fenster
Schaut der Abendstern herein.
Und nach ihm mit beiden Händen
Laut aufweinend langt das Kind:
"Mutter, Mutter! hol mir diesen
Schönen Stern herab geschwind!"
"Dummheit!" ruft der Vater zornig
Hinter einem Zeitungsblatt,
"Was der Fratz von dritthalb Jahren
Für verrückte Launen hat!
Denk mal: Dreißig Millionen
Meilen weg und ein Planet,
Der zweihundertvierundzwanzig
Tage um die Sonne geht!"
Doch die Mutter tröstet leise:
"Schlaf, mein Engel! Diese Nacht
Hol´ ich dir den Stern vom Himmel,
Der dir so viel Freude macht;
Morgen früh, hier auf dem Bette
Findest du den Edelstein!" –
Und das Kind in Tränen lächelnd
Schläft am Mutterherzen ein.

Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg
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