Auf meinen Lippen brennt dein Kuß,
er brennt wie Feuer und Sünde,
er brennt wie himmlischer Hochgenuß
und macht mich zum schwachen Kinde.

Viel wilde Rosen erblühn und glühn
und glühn und verwelken am Hage –
und der Wald ist duftig, der Wald ist grün
am leuchtenden Julitage ...

Vom Meer herauf die Sonne grüßt,
Tautropfen am Riedgras beben: –
wir haben uns kaum Willkommen geküßt
und sollen uns Abschied geben!

Und gehen sollst du, geliebter Mann,
mit all´ dem zitternden Bangen,
mit der ungelöschten Glut hindann –
und durften uns kaum umfangen.

Wie lange währt es, so schwillt der Wein,
Im Felde die Sicheln klingen;
all´, was da blühte im Sonnenschein,
wird reifen und Früchte bringen.

Die Luft wird kühl, und das Laub verdorrt,
Schnee liegt auf Hängen und Hagen …
wir aber werden von Ort zu Ort
die zehrenden Gluten tragen.

Clara Müller-Jahnke

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deutsche Dichterin und Journalistin, Frauenrechtlerin
* 5.2. 1860 - Lenzen, Kreis Belgard
4.11. 1905 - Wilhelmshagen bei Berlin
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