Für E. P.
(1850)

Wir treten in die Welt mit reinem Sinn,
Mit leichter Brust, mit jugendfrischem Hoffen,
So nehmen wir das Leben fröhlich hin,
Jedwedem Eindruck steht die Seele offen,
Wir glauben gern an Alles was wir seh´n
Und loben freudig, was wir nicht versteh´n.

Dann kommt die Zeit. In ernster Offenbarung
Stellt sie uns manchen schweren Irrthum dar.
Die Jugend weicht; uns leitet nun Erfahrung:
Wir prüfen forschend was uns theuer war
Und müssen uns, erröthend, eingesteh´n:
Wir haben´s kindisch-gläubig angeseh´n.

So wirst auch Du in später´n, reifer´n Jahren
Belächeln, wie ich ›damals‹ Dir erschien?
Wirst, von der Welt belehrt, gar bald erfahren,
Daß Farbe Du dem bleichen Bild gelieh´n.
Wirst denken, – denket man einmal des Alten:
"Hab´ ich ihn doch für Wunder was gehalten!"

Karl von Holtei
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