Mir war im Traum, sie täten dich begraben,An einem Sonntag, draußen unterm Wald,Mit Singen und mit Beten. Leisen TrittesDurch eine Seitenpforte naht ich traurig,Entblößten Haupts von hinten der Versammlung. Da stockte plötzlich der Gesang. Erstaunt,Mit scheuen Blicken starrten sie nach mir.Die Mesner zischelten. Ein GärtnerjungeSchob mir mit dienstbeflißnem Grinsen heimlichDurch meine Finger einen Kranz von Dornen.Aber die Menge teilend trat der PfarrerMir feierlich entgegen, schrieb das KreuzAuf meine Stirne, hielt die Heilige SchriftMir auf die Brust und las mit lauter Stimme:"Vergib, auf daß man dir vergebe", las er.Da regte sichs im Dornenkranz und wuchsUnd quoll wie Blust im Frühling. Rote, samtne,Großmächtge Königsrosen fraßen wucherndDie lichte Luft, den leiderfüllten Kirchhof.Blieb nichts mehr übrig als ein stilles Antlitz,Von Schmerz verschönt, die lieben Heimataugen,Wehmütigen Blicks mich grüßend durch die Rosen.
Flaumflocken flüstern vom Himmel leis.Ein Wandrer steigt über Firn und Eis.Die Schneefrau folgt ihm mit tückischem Schritt:»Halt stille, mein Lieber, und nimm mich mit,Der Abend ist nah, und der Gipfel ist fern.Ich spiel dir zur Kurzweil ein Liedchen gern.«Sie setzt an die Lippe die grüne Schalmei,die jauchzte von Blumen und Lenz und Mai.Er lauschte, die Wangen von Tränen naß,dann schlug er ein Kreuzchen und zog fürbaß. Und finstrer wölkt sich der dämmernde Schnee.Sie schlich ihm zur Seite auf listiger Zeh´:»Halt! daß ich dir leuchte, du wandelst irrEin freundliches Märchen erzähl´ ich dir.«Eine Ampel zog sie aus ihrem Gewand;Da glänzt ihm vor Augen der Heimat Land,der Hügel, der Garten, die Eltern seinim seligen goldigen Jugendschein.Er schwankte. Schon kürzt er der Schritte Maß,dann schlug er ein Kreuzchen und zog fürbaß. Und es stürmt und es stöbert mit Sturmesmacht,vom heulenden Felsen gähnt weiße Nacht.Sein Wille versagte, sein Knie versank.Da saß sie auf einer steinernen Bank.»Hier ist es behaglich; komm, setze dich,Ich weiß zu kosen gar minniglich.Und lockt dich der Schlummer und lacht dir ein TraumAn meinem warmen Busen ist Raum.«Sie blickte so lieblich, sie nickte so hold,als ob sich der Himmel ihm öffnen wollt.Er wankt ihr entgegen in taumelndem Laufund fiel ihr zu Füßen - stand nie mehr auf.
Bei strömendem Regen im BiwuakKampierten drei müde Rekruten.Sie legten den Kopf auf den MantelsackUnd zogen den Hals in die KuttenDer Regen rauschte, sie merktens kaum,Und sachte, vom Wunsch zum GedankenBegann in Bälde ein tröstlicher TraumVor ihren Augen zu schwanken.Sie meinten in ihrer Phantasei,Als wären sie schon Generäle,Im Schlachtengetümmel und FeldgeschreiDiktierend die barschen Befehle.Gemeinsam dünkte den dreien vereint,Man wolle sie überflügelnUnd unerschöpflich flute der FeindHerab von den mörderischen Hügeln.Und Adjutanten kämen gesprengt,Bleichwangig, umblitzt von Granaten:"Wir sind umzingelt und eingezwängt.Man meutert. Man wähnt sich verraten."Da sprach der erste: "Ich hab einen KernVon Jägern und von Husaren.Der Teufel ist ledig und Hilfe ist fern,Jetzt gilt es, die Ehre zu wahren."Ingrimmig faßt er den Säbelknauf,Ermahnte zur Pflicht und zur Ehre,Dann vorwärts ging es in rasendem Lauf,Als ob es der Sturmwind wäre.Aus tausend Schlünden zischte der Tod,Sie grüßten ihn ohne Bangen,Die meisten färbten den Boden rot,Er fiel und wurde gefangen.Bewundernd pflegt ihn der edle FeindUnd schenkt ihm den rühmlichen Degen.Er hatte seit Jahren nie geweint,Jetzt spürt er im Auge sich´s regenDer zweite sprach: "Ich habe zur HandEin Häuflein von Veteranen,Ergeben Gott und dem VaterlandGehorsam dem Winke der Fahnen."Rasch formt er das Viereck zum letzten Stoß."Brüder", begann er begeistert,"Gott ist uns dawider, der Feind ist zu groß,Der Tod nur wird niemals bemeistert.Heut heißt es bekunden, was einer wert,Und ob den Vätern wir gleichen.Wir kämpfen, so lange der Atem währt,Und hemmen den Durchpaß als Leichen.""Hurra!" erscholl es wie Donnergebraus.Dann rückten sie mit GesangeLangsam aus dem schirmenden Hohlweg hinausZum heiligen Todesgange.Und als am Abend nach bitterem StreitMan sah nach den Toten und Wunden,Da ward von dem SamaritergeleitEin schaurig Schauspiel gefunden.Zu Bergen starrte die tapfere Schar,Leichnam auf Leichnam geschichtet,Im toten noch boten Trotz sie dar,Das Antlitz feindwärts gerichtet.Und Freund und Gegner entblößten sich stummVor des Anblicks grausiger Schöne,Und flüsternd gings in den Reihen um:"Hier schaut man Heldensöhne."Doch der dritte schweigend die Karte lasAuf der Brüstung der Kirchhofmauer.Mitunter hob er das AugenglasUnd nahm den Feind auf die Lauer.Er spähte nach rechts und spähte nach links,Die Augen funkelnd vor Tücke.Wahrhaftig entdeckt er plötzlicherdingsIm Ring die erlösende Lücke.Und eh einer wußte, wie das geschah,Hatt er flugs in die Bresche geschmissenDie Reserven alle von fern und nahUnd dem Feinde die Walstatt entrissen.Der Regen plätscherte nach wie vor.Da stieg auf verborgenen StegenGewappnet ein riesiger Geist emporUnd schwebte heran durch den Regen.Er nickte dem letzten: "Herr General,Wir lernen uns näher kennen.Ob früher, ob später, es wird einmalDer Ruhm deinen Namen nennen.Ihr andern beide, merkt euch den Satz:Entschlagt euch das Oberbefehlen.In jeglichem Regimente ist PlatzFür mutige Fähndrichsseelen.Pflicht, Ehre, Begeisterung geb ich euch feil,Sich bescheidend im Unterliegen.Generäle brauch ich im Gegenteil,Die nicht vergessen zu siegen."
Mir war, ich triebe durch den Ozean,Allein, in einem schlecht gebauten Kahn.Da schwamm von Osten wimmelnd übers MeerEin tausendfüßiger Polyp daher.Und jeder seiner Füße, seiner TastenTrug ein Gesicht, mit Augen, die mich haßten."Ihr Mörder", schrie ich, "wars euch nicht genug,Daß euer Lästerzahn mir Wunden schlug,Die täglich bluten, unaufhörlich schwären?Soll die Verfolgung übers Weltmeer währen?"Umsonst. Schon wälzt er sich ins Boot. Im NuDas Ruder schwingend, schlug ich blindlings zu.Da zitterte das fürchterliche Tier,Als wie zum Tode wund und ließ von mir.Schnellfüßig floh es übers Meer zurück.Die losen Glieder fielen Stück um Stück.Der Mantel starb. Und aus dem eklen LeibErhob sich unversehns ein blühend Weib,Umstrahlt von wundersamem Farbenglanz.Sie lächelte und drehte sich zum Tanz.Die Arme waagrecht wie am Kreuz gehalten,Schlug sie ihr Kleid in prächtigen Flügelfalten.Je ferner, desto holder ihre MienenUnd desto wonniger die Serpentinen.Mit meinen Blicken folgt ich unverwandtDem Zauberspiel, von süßem Schreck gebannt.Und als es endlich meinem Aug entschwand- "Triumph" dacht ich zu rufen siegbewußt -,Da quoll ein Seufzer tief mir aus der Brust.
Mir träumt, ich schlummert unterm WeidenbuschAm Bachesufer, auf der Himmelswiese,Und mit dem Wasser käm ein schöner MannIm Boot dahergefahren. Längs der FahrtBog er die Büsche auseinander, spähteIn das Versteck und reichte links und rechtsGeschenke, welche er dem Boot enthob.Wo er vorbeizog, scholl ein Dankesschluchzen.Und aus den Wellen sang´s wie Orgelstimme:"Kleingläubige Zweifler, habt ihr´s nicht gespürt?Ihr mußtet leiden, daß ihr lernet wünschen.Ihr mußtet wünschen, daß ich euch´s gewähre.Was jeder ihm verschwiegnen SeelengrundErsehnt, die Träume, die dem eignen HerzenEr nicht verriet, ich habe sie gebucht.Nehmt hin, ich kenne jedes Menschenherz!Nehmt hin, ich kenne jeder Seele Sehnsucht!"Allmählich kam er auch zu mir. NeugierigSchärft ich den Blick, denn keines Wunsches warIch mir geständig. Da entstieg dem NachenEin strahlend Frauenbild, vertraulich winkend,Eilt auf mich zu und lachte mir ins Auge:"Kleingläubiger Zweifler, hast du´s nicht gespürt?"Dann nahm sie meine Hand und führte michDurch blumige Triften nach den blauen Bergen.Viel Fenster lugten auf den Weg, dahinterGesichter, deren Grüße uns vermählten.Wir aber zogen miteinander weiterUnd immer weiter über Berg und Tal,Ohne Verdruß und ohne Müdigkeit,Bis wir verschwanden in gottinniger Ferne.
In dieser Welt, von Übelnkrank, vom Blute rot,tut Geist und Schönheit,tut ein Flecklein Himmel not,ein Glücklicher, der nichtsvom Pfuhl des Jammers weiß,ein Edler, rein von Schuld,ein Held, deß Helmbusch weiß.
Mir war, als schlichen sie, die alten Kameraden,Am Abend aus dem Urwald insgeheim,Machten mir Zeichen durch die PalisadenUnd zischelten: "Komm heim."Mit Weib und Kindern trat ich auf die Schwelle:"Da wo ein Baum gewurzelt, da ist seine Stelle.Die Gärtner, die ihn pflanzten, unvergessen.Habs selber oft erwogen und ermessen.Doch jetzt stehts fest in mir:Ich bleibe hier.""Komm heim!" begehrten sie mit zornigem BefehleUnd rüttelten am Tor die Pfähle.Da griff ein rasender OrkanMein schwaches Blockhaus an.Als wie mit tausend HändenPackt er´s zugleich an allen Enden.Den aufgepeitschten Wellen gleichIm sturmgepeitschten MeerSchwankte der Boden brüllend hin und her.Ich aber, stumm und schreckensbleich,Die Kinder an der Hand, mein Weib an meine Brust gepreßt,Stand fest.Und als das Ungewitter endlich sich verzogenUnd lagernd um den Herd am trauten FeuerWir grausend die bestandene Gefahr erwogen:"Das war ein schlimmer Sturm. Nun bin ich euer."
Es kam einmal vom Himmel her ein Schlitten rot und weiß,Vom Christkind unverhofft gebracht zum Lohn für Gerdas Fleiß.Sie zählte schon das Einmaleins und schrieb das ABC,Und jeden Morgen spähte sie nach dem ersehnten Schnee.Heut stürmt sie nach dem Tannenrain, in Pelze eingehüllt,Das Ohr mit weisem Mahnungswort, das Herz mit Glück gefüllt.Schon sitzt sie, schaut sich trotzig um: "Achtung! Hurra! aus Weg!"O weh, das steife Fuhrwerk bockt im Zickzack krumm und schrägMit offnem Mund keucht sie bergan, versuchts zum andern Mal.Der Schlitten stolpert links und rechts, doch gleitet nie zu Tal.Inzwischen dunkelts im Zenit. Ein flaumig FlockenheerFlüstert vom Himmel leis herab, und einsam wird umher.Ihr wird so bang, ihr wird so kalt, das Weinen steht ihr nah.Und müder stets und matter tönt ihr klägliches Hurra.Sieh da, was blinkt und schimmert dort im Tannendickicht? Schau,Auf einem moosbewachsnen Strunk sitzt eine hehre Frau,Im Königsmantel blank und rein, mit Hermelin bestickt."Soll ich dir helfen, gutes Kind?" versetzt sie. Gerda nickt.Sie nimmt das Mädchen auf den Schoß, fein sanft und warm gewiegt.Juch, wie mit lustgem Federschwung der Schlitten talwärts fliegt!Verschwunden ist die Müdigkeit, das Auge jauchzt und strahlt.Und unversehens glänzt die Welt mit Märchenschein bemahlt.Es lebt der Wald, es singt die Luft, so hold, man glaubt es kaum.Diamanten sprüht das Gletscherfeld und Sterne sprießt der Baum."Gerda!" erscholl der Mutter Ruf. Sie hört es mit VerdrußDie Frau erschrickt, erhebt sich, flieht nach einem kurzen Kuß.Nach sieben Tagen blies der Föhn vom Berge lau und lind.Was weinen und was wimmern so die Glocken durch den Wind?Schulmädchen folgen einem Sarg, den Wagen lenkt der Tod.Verlassen steht im Kämmerlein der Schlitten weiß und rot.Ein grünes Kränzlein liegt darauf mit einem Bibelspruch.Und ewig klafft im Einmaleins ein ungelöster Bruch.
Nachdenklich schritt ein Zaubrer auf und ab:"Was nützt denn sonst ein Zauberstab?Es gilt ja bloß zu wünschen, nur zu handeln;In einen Engel will ich diesen Frosch verwandeln."Er schwang den Stock, rief "Abrada",Und fertig stand der Engel da.Himmlisch und hehr, beschwingt mit Flügeln,Und länger konnt er seine Leidenschaft nicht zügeln.Er baut ihr einen Tempel und AltarUnd bot ihr knieend Weihrauch dar.Den Weihrauch ließ sie liegen -Und schnappte Fliegen.Der Zaubrer lachte: "So war’s nicht gemeint.Ein Lurch gibt keine Lerche, wie es scheint.Wir wollen uns beeilen,Den Frosch zu heilen."Zum Zauberstocke griff er unverwandt.O weh, den hatte sie verbranntWas blieb ihm nun von seinen ZauberschnakenAls mitzuquaken?