Je vollkommener, desto mehr Schmerzen.
Da wir gerade von Glück usw. sprechen: es hat mir auch viel eingebracht, daß ich sehr intensiv mit H.P. Lovecraft in den letzten acht Monaten seines Lebens korrespondiert habe. Er hämmerte mir ein, daß man beim Schreiben auf Ehrlichkeit, Überzeugung, Sorgfalt, Vollkommenheit und Wissenschaftlichkeit achten muß.
Um Vollkommenheit zu erreichen, muss man erst vieles nicht begriffen haben! Begreifen wir zu schnell, so begreifen wir wahrscheinlich nicht gründlich.
Was allzu vollkommen ist, hat sicher seine Lücken, was auf die Spitze getrieben wird, schlägt sicher in sein Gegenteil um, was voll ist, wird sicher abnehmen.
Das Vollkommene soll nicht geworden sein. - Wir sind gewöhnt, bei allem Vollkommenen die Frage nach dem Werden zu unterlassen: sondern uns des Gegenwärtigen zu freuen, wie als ob es auf einen Zauberschlag aus dem Boden aufgestiegen sei.
Jeder von uns ist ein Engel mit nur einem Flügel. Und wir können nur fliegen, wenn wir uns umarmen.
Ein Text ist nicht dann vollkommen, wenn man nichts mehr hinzufügen kann, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann.
Ein Gegenstand, der vollkommen schön ist, regt den Künstler nicht an. Es fehlt ihm das Unvollkommene.
Man sagt von Gott: »Namen nennen Dich nicht«. Das gilt von Mir: kein Begriff drückt Mich aus, nichts, was man als mein Wesen angibt, erschöpft Mich; es sind nur Namen. Gleichfalls sagt man von Gott, er sei vollkommen und habe keinen Beruf, nach Vollkommenheit zu streben. Auch das gilt allein von Mir.
Leben bedeutet immer: dem Höheren, der Vollkommenheit entgegenstreben, sich emporschwingen und versuchen, den Gipfel zu erreichen.
