Mein liebes Mütterlein war verreist,Und kehrte nicht heim, und lag in der Grube:Da war ich allein und recht verwaist,Und traurig trat ich in ihre Stube.Ihr Schrank stand offen, ich fand ihn noch heut,Wie sie, abreisend ihn eilig gelassen,Wie alles man durcheinander streut,Wenn vor der Thür die Pferde schon passen.Ein aufgeschlag´nes Gebetbuch lagBei mancher Rechnung, von ihr geschrieben;Von ihrem Frühstück am ScheidetagWar noch ein Stücklein Kuchen geblieben.Ich las das aufgeschlagne Gebet,Es war: wie eine Mutter um SegenFür ihre Kinder zum Himmel fleht;Mir pochte das Herz in bangen Schlägen.Ich las ihre Schrift, und ich verbißNicht länger meine gerechten Schmerzen,Ich las die Zahlen, und ich zerrißDie Freudenrechnung in meinem Herzen.Zusammen sucht´ ich den Speiserest,Das kleinste Krümlein, den letzten Splitter,Und hatt´ es mir auch den Hals gepreßt,Ich aß vom Kuchen und weinte bitter.
Die dunklen Wolken hingenHerab so bang und schwer,Wir beide traurig gingenIm Garten hin und her. So heiß und stumm, so trübeUnd sternlos war die Nacht,So ganz, wie unsre Liebe,Zu Tränen nur gemacht. Und als ich mußte scheidenUnd gute Nacht dir bot,Wünscht´ ich bekümmert beidenIm Herzen uns den Tod.
Ich wandre fort ins ferne Land;Noch einmal blickt´ ich um, bewegt,Und sah, wie sie den Mund geregt,Und wie gewinket mit der Hand.Wohl rief sie noch ein freundlich WortMir nach auf meinen trüben Gang,Doch hört´ ich nicht den liebsten Klang,Weil ihn der Wind getragen fort.Daß ich mein Glück verlassen muß,Du rauher, kalter Windeshauch,Ist´s nicht genug, daß du mir auchEntreißest ihren letzten Gruß?
Rings ein Verstummen, ein Entfärben:Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;Ich liebe dieses milde Sterben.Von hinnen geht die stille Reise,Die Zeit der Liebe ist verklungen,Die Vögel haben ausgesungen,Und dürre Blätter sinken leise.Die Vögel zogen nach dem Süden,Aus dem Verfall des Laubes tauchenDie Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,Die Blätter fallen stets, die müden.In dieses Waldes leisem RauschenIst mir als hör´ ich Kunde wehen,dass alles Sterben und VergehenNur heimlich still vergnügtes Tauschen.
In Schlummer ist der dunkle Wald gesunken,Zu träge ist die Luft, ein Blatt zu neigen,Den Blütenduft zu tragen, und es schweigenIm Laub die Vögel und im Teich die Unken. Leuchtkäfer nur, wie stille TraumesfunkenDen Schlaf durchgaukelnd, schimmern in den Zweigen,Und süßer Träume ungestörtem ReigenErgibt sich meine Seele, schweigenstrunken. Horch! überraschend saust es in den BäumenUnd ruft mich ab von meinen lieben Träumen,Ich höre plötzlich ernste Stimme sprechen; Die aufgeschreckte Seele lauscht dem WindeWie Worten ihres Vaters, der dem KindeZuruft, vom Spiele heimwärts aufzubrechen. 2 Stimme des RegensDie Lüfte rasten auf der weiten Heide,Die Disteln sind so regungslos zu schauen,So starr, als wären sie aus Stein gehauen,Bis sie der Wandrer streift mit seinem Kleide. Und Erd und Himmel haben keine Scheide,In eins gefallen sind die nebelgrauen,Zwei Freunden gleich, die sich ihr Leid vertrauenUnd Mein und Dein vergessen traurig beide. Nun plötzlich wankt die Distel hin und wider,Und heftig rauschend bricht der Regen nieder,Wie laute Antwort auf ein stummes Fragen. Der Wandrer hört den Regen niederbrausen,Er hört die windgepeitschte Distel sausen,Und ein Wehmut fühlt er, nicht zu sagen. 3 Stimme der GlockenDen glatten See kein Windeshauch verknittert,Das Hochgebirg, die Tannen, Klippen, Buchten,Die Gletscher, die von Wolken nur besuchten,Sie spiegeln sich im Wasser unzersplittert. Das dürre Blatt vom Baume hörbar zittert,Und hörbar rieselt nieder in die SchluchtenDas kleinste Steinchen, das auf ihren FluchtenDie Gemse schnellt, wenn sie den Jäger wittert. Horch! Glocken in der weiten Ferne tönend,Den Gram mir weckend und zugleich versöhnend,Dort auf der Wiese weiden Alpenkühe. Das Läuten mahnt mich leise an den Frieden,Der von der Erd auf immer ist geschiedenSchon in der ersten Paradiesesfrühe. 4 Stimme des KindesEin schlafend Kind! o still! in diesen ZügenKönnt ihr das Paradies zurückbeschwören;Es lächelt süß, als lauscht es Engelchören,Den Mund umsäuselt himmlisches Vergnügen. O schweige, Welt, mit deinen lauten Lügen,Die Wahrheit dieses Traumes nicht zu stören!Laß mich das Kind im Traume sprechen hörenUnd mich, vergessend, in die Unschuld fügen! Das Kind, nicht ahnend mein bewegtes Lauschen,Mit dunklen Lauten hat mein Herz gesegnet,Mehr als im stillen Wald des Baumes Rauschen; Ein tiefres Heimweh hat mich überfallen,Als wenn es auf die stille Heide regnet,Wenn im Gebirg die fernen Glocken hallen.
Friedlicher Abend senkt sich aufs Gefilde;Sanft entschlummert Natur, um ihre ZügeSchwebt der Dämmerung zarte Verhüllung, und sieLächelt die Holde;Lächelt, ein schlummernd Kind in Vaters Armen,Der voll Liebe zu ihr sich neigt, sein göttlichAuge weilt auf ihr, und es weht sein Odem Über ihr Antlitz.
Das sehnlichste, das quälendste Verlangen,Was selbstbewußte Seelen weich´rer ArtErgreift auf ihrer dunklen Lebensfahrt,Ist der Gedanke: hätt´ ich´s nie begangen!Der Qualgedanke: wär ich rein geblieben!Verfinstert ihnen jeden holden Stern,Vergällt der Freude innerlichsten Kern,Hat manchen schon in frühen Tod getrieben.
Vier Männer dort, in schwarzem Kleid,Die tragen auf der Bahre,Lastträger, ohne Lust und Leid,Des Todes kalte Ware.Sie eilen mit dem toten LeibHinaus zum Ort der Ruhe.Schlaf wohl, du armes Bettelweib,In deiner morschen Truhe.Dir folgt kein Mensch zum GlockenklangMit weinenden Gebärden;Die Not nur blieb dir treu, so langVon dir noch was auf Erden.Dir gab der Menschen schnöder GeizEin Leichentuch, zerfetzet,Hat ein verstümmelt ChristuskreuzDir auf den Sarg gesetzet;Doch kränkt dich nicht der bittre SpottIn deinem tiefen Frieden,Dass man selbst einen schlechtern GottDir auf den Weg beschieden.Einst blühtest du im Jugendglanz,Vom ganzen Dorf gepriesenDie schönste Maid am ErntetanzDort unten auf der Wiesen.Folgt keiner dir der Burschen nach,Die dort mit dir gesprungen?Wohl längst die muntre Fidel brach,Die dort so hell geklungen!
Sahst du ein Glück vorübergehn,das nie sich wiederfindet,Ist´s gut in einen Strom zu sehn,wo alles wogt und schwindet.O, starre nur hinein, hinein;Du wirst es leichter missen,Was dir, und soll’s dein Liebstes sein,Vom Herzen ward gerissen.Blick unverwand hinab zum Fluß,Bis deine Tränen fallen,Und sieh durch ihren warmen GußDie Flut hinunterwallen.Hinträumend wird VergessenheitDes Herzens Wunde schließen;Die Seele sieht mit ihrem LeidSich selbst vorüberfließen.
Niemand kann verlornen Harrens SchmerzenEinem sehnsuchtsvollen FrauenherzenJe vergelten, niemand ihr vergüten,Was in solchen unermeßnen StundenStill der Wurm genagt von ihren Blüten,Der auch nicht, um den sie es empfunden.Wenn er dann auch stürzt zu ihren Füßen,Leiden und versäumtes Glück beklagt;Schmerz hat weh getan, der Wurm genagt.Aber mancher kehret nie mehr wieder,Drückt er auch ein Herz zum Grabe nieder.