Kein Wort, und wär es scharf wie Stahles Klinge, soll trennen, was in tausend Fäden eins, so mächtig kein Gedanke, daß er dringe in den Becher reinen Weins. Das Leben ist so kurz, das Glück so selten, so großes Kleinod, einmal sein statt gelten!
Vor vierzig Jahren Da gab es doch ein Sehnen,Ein Hoffen und ein Glühn,Als noch der Mond »durch TränenIn Fliederlauben« schien,Als man dem »milden Sterne«Gesellte was da lieb,Und »Lieder in die Ferne«Auf sieben Meilen schrieb! Ob dürftig das Erkennen,Der Dichtung Flamme schwach,Nur tief und tiefer brennenVerdeckte Gluten nach.Da lachte nicht der leere,Der übersatte Spott,Man baute die AltäreDem unbekannten Gott. Und drüber man den BrodemDes liebsten Weihrauchs trug,Lebend´gen Herzens Odem,Das frisch und kräftig schlug,Das schamhaft, wie im Tode,In Traumes WundersargNoch der Begeistrung Ode,Der Lieb´ Ekloge barg. Wir höhnen oft und lachenDer kaum vergangnen Zeit,Und in der Wüste machenWie Strauße wir uns breit.Ist Wissen denn Besitzen?Ist denn Genießen Glück?Auch Eises Gletscher blitzenUnd Basiliskenblick. Ihr Greise, die gesunkenWie Kinder in die Gruft,Im letzten Hauche trunkenVon Lieb´ und Ätherduft,Ihr habt am LebensbaumeDie reinste Frucht gepflegt,In karger Spannen RaumeEin Eden euch gehegt. Nun aber sind die Zeiten,Die überwerten, da,Wo offen alle WeitenUnd jede Ferne nah.Wir wühlen in den Schätzen,Wir schmettern in den Kampf,Windsbräuten gleich versetzenUns Geistesflug und Dampf. Mit unsres Spottes GertenZerhaun wir, was nicht Stahl,Und wie Morganas GärtenZerrinnt das Ideal;Was wir daheim gelassenDas wird uns arm und klein;Was Fremdes wir erfassen,Wird in der Hand zu Stein. Es wogt von End´ zu Ende,Es grüßt im Fluge her,Wir reichen unsre Hände,- Sie bleiben kalt und leer. -Nichts liebend, achtend Wen´geWird Herz und Wange bleich,Und bettelhafte Kön´geStehn wir im Steppenreich.
Über dem Brünnlein nicket der Zweig,Waldvögel zwitschern und flöten,Wild Anemon´ und Schlehdorn bleichIm Abendstrahle sich röten,Und ein Mädchen mit blondem HaarBeugt über der glitzernden Welle,Schlankes Mädchen, kaum fünfzehn Jahr,Mit dem Auge der scheuen Gazelle.Ringelblumen blättert sie ab:»Liebt er?« - »liebt er mich nimmer?«Und wenn »liebt« das Orakel gab,Um ihr Antlitz gleitet ein Schimmer:»Liebt er nicht« - o Grimm und Graus!Daß der Himmel den Blüten gnade!Gras und Blumen, den ganzen StraußWirft sie zürnend in die Kaskade.Gleitet dann in die Kräuter lind,Ihr Auge wird ernst und sinnend;Frommer Eltern heftiges Kind,Nur Minne nehmend und minnend,Kannte sie nie ein anderes BandAls des Blutes, die schüchterne Hinde;Und nun Einer, der nicht verwandtIst das nicht eine schwere Sünde?Mutlos seufzet sie niederwärts,In argem Schämen und Grämen,Will zuletzt ihr verstocktes HerzRecht ernstlich in Frage nehmen.Abenteuer sinnet sie aus:Wenn das Haus nun stände in Flammen,Und um Hilfe riefen herausDer Karl und die Mutter zusammen?Plötzlich ein Perlenregen dichtStürzt ihr glänzend aus beiden Augen,In die Kräuter gedrückt ihr Gesicht,Wie das Blut der Erde zu saugen,Ruft sie schluchzend: »ja, ja, ja!«Ihre kleinen Hände sich ringen,»Retten, retten würd´ ich Mama,Und zum Karl in die Flamme springen!«
Und willst du wissen, warumSo sinnend ich manche Zeit,Mitunter so töricht und dumm,So unverzeihlich zerstreut,Willst wissen auch ohne Gnade,Was denn so Liebes enthältdie heimlich verschlossene Lade,An die ich mich öfters gestellt?Zwei Augen hab´ ich gesehn,Wie der Strahl im Gewässer sich bricht,Und wo zwei Augen nur stehn,Da denke ich an ihr Licht.Ja, als du neulich entwandtestDie Blume vom blühenden RainUnd »Oculus Christi« sie nanntest,Da fielen die Augen mir ein.Auch gibt´s einer Stimme Ton,Tief, zitternd, wie Hornes Hall,Die tut´s mir völlig zum Hohn,Sie folget mir überall.Als jüngst im flimmernden SaaleMich quälte der Geigen Gegell,Da hört´ ich mit einem MaleDie Stimme im Violoncell.Auch weiß ich eine Gestalt,So leicht und kräftig zugleich,Die schreitet vor mir im WaldUnd gleitet über den Teich;Ja, als ich eben in SinnenSah über des Mondes Aug Einen Wolkenstreifen zerrinnen,Das war ihre Form, wie ein Rauch.Und höre, höre zuletzt,Dort liegt, da drinnen im Schrein,Ein Tuch mit Blute genetzt,Das legte ich heimlich hinein.Er ritzte sich nur an der Schneide,Als Beeren vom Strauch er mir hieb,Nun hab´ ich sie alle beide,Sein Blut und meine brennende Lieb´.
Lebt wohl Lebt wohl, es kann nicht anders sein!Spannt flatternd eure Segel aus,Laßt mich in meinem Schloß allein,Im öden geisterhaften Haus. Lebt wohl und nehmt mein Herz mit euchUnd meinen letzten Sonnenstrahl;Er scheide, scheide nur sogleich,Denn scheiden muß er doch einmal. Laßt mich an meines Sees Bord,Mich schaukelnd mit der Wellen Strich,Allein mit meinem Zauberwort,Dem Alpengeist und meinem Ich. Verlassen, aber einsam nicht,Erschüttert, aber nicht zerdrückt,Solange noch das heil´ge LichtAuf mich mit Liebesaugen blickt. Solange mir der frische WaldAus jedem Blatt Gesänge rauscht,Aus jeder Klippe, jedem SpaltBefreundet mir der Elfe lauscht. Solange noch der Arm sich freiUnd waltend mir zum Äther strecktUnd jedes wilden Geiers SchreiIn mir die wilde Muse weckt.
Der Frühling ist die schönste Zeit! Was kann wohl schöner sein? Da grünt und blüht es weit und breit Im goldnen Sonnenschein.Am Berghang schmilzt der letzte Schnee, Das Bächlein rauscht zu Tal, Es grünt die Saat, es blinkt der See Im Frühlingssonnenstrahl.Die Lerchen singen überall, Die Amsel schlägt im Wald! Nun kommt die liebe Nachtigall Und auch der Kuckuck bald. Nun jauchzet alles weit und breit, Da stimmen froh wir ein: Der Frühling ist die schönste Zeit! Was kann wohl schöner sein?
An die Weltverbesserer Pochest du an - poch nicht zu laut,Eh´ du geprüft des Nachhalls Dauer!Drückst du die Hand - drück nicht zu traut!Eh du gefragt des Herzens Schauer!Wirfst du den Stein - bedenke wohl,Wie weit ihn deine Hand wird treiben!Oft schreckt ein Echo, dumpf und hohl,Reicht goldne Hand dir den Obol,Oft trifft ein Wurf des Nachbars Scheiben. Höhlen gibt es am Meeresstrand,Gewalt´ge Stalaktitendome,Wo bläulich zuckt der Fackeln Brand,Und Kähne gleiten wie Phantome.Das Ruder schläft, der Schiffer legtDie Hand dir angstvoll auf die Lippe,Ein Räuspern nur, ein Fuß geregt,Und donnernd überm Haupte schlägtZusammen dir die Riesenklippe. Und Hände gibt´s im Orient,Wie Schwäne weiß, mit blauen Malen,In denen zwiefach Feuer brennt,Als gelt´ es Liebesglut zu zahlen;Ein leichter Tau hat sie genäßt,Ein leises Zittern sie umflogen,Sie fassen krampfhaft, drücken fest -Hinweg, hinweg! du hast die PestIn deine Poren eingesogen! Auch hat ein Dämon einst gesandtDen gift´gen Pfeil zum Himmelsbogen;Dort rührt ihn eines Gottes Hand,Nun starrt er in den Ätherwogen.Und läßt der Zauber nach, dann wirdEr niederprallen mit Geschmetter,Daß das Gebirg´ in Scherben klirrt,Und durch der Erde Adern irrtFortan das Gift der Höllengötter. Drum poche sacht - du weißt es nicht,Was dir mag überm Haupte schwanken.Drum drücke sacht - der Augen LichtWohl siehst du, doch nicht der Gedanken.Wirf nicht den Stein zu jener Höh Wo dir gestaltlos Form und Wege,Und schnelltest du ihn einmal je,So fall´ auf deine Knie und fleh´,Daß ihn ein Gott berühren möge!
FrühlingDie Rebe blüht, ihr linder HauchDurchzieht das tauige Revier,Und nah und ferne wiegt die LuftVielfarb´ger Blumen bunte Zier. Wie´s um mich gaukelt, wie es summtVon Vogel, Bien´ und Schmetterling,Wie seine seidnen Wimpel regtDer Zweig, so jüngst voll Reifen hing. Noch sucht man gern den SonnenscheinUnd nimmt die trocknen Plätzchen ein;Denn nachts schleicht an die Grenze dochDer landesflücht´ge Winter noch. O du mein ernst gewalt´ger Greis,Mein Säntis mit der Locke weiß!In Felsenblöcke eingemauert,Von Schneegestöber überschauert,In Eisespanzer eingeschnürt:Hu, wie dich schaudert, wie dich friert!Sommer Du gute Linde, schüttle dich!Ein wenig Luft, ein schwacher West!Wo nicht, dann schließe dein GezweigSo recht, daß Blatt an Blatt sich preßt. Kein Vogel zirpt, es bellt kein Hund;Allein die bunte FliegenbrutSummt auf und nieder übern RainUnd läßt sich rösten in der Glut. Sogar der Bäume dunkles LaubErscheint verdickt und atmet Staub.Ich liege hier wie ausgedorrtUnd scheuche kaum die Mücken fort. O Säntis, Säntis! läg´ ich dochDort - grad´ an deinem Felsenjoch,Wo sich die kalten, weißen DeckenSo frisch und saftig drüben strecken,Viel tausend blanker Tropfen Spiel:Glücksel´ger Säntis, dir ist kühl!Herbst Wenn ich an einem schönen TagDer Mittagsstunde habe acht,Und lehne unter meinem BaumSo mitten in der Trauben Pracht: Wenn die Zeitlose übers TalDen amethystnen Teppich webt,Auf dem der letzte SchmetterlingSo schillernd wie der frühste bebt: Dann denk´ ich wenig drüber nach,Wie´s nun verkümmert Tag für Tag,Und kann mit halbverschloßnem BlickVom Lenze träumen und von Glück. Du mit dem frischgefallnen Schnee,Du tust mir in den Augen weh!Willst uns den Winter schon bereiten:Von Schlucht zu Schlucht sieht man ihn gleiten,Und bald, bald wälzt er sich herabVon dir, o Säntis! ödes Grab!Winter Aus Schneegestäub´ und NebelqualmBricht endlich doch ein klarer Tag;Da fliegen alle Fenster auf,Ein jeder späht, was er vermag. Ob jene Blöcke Häuser sind?Ein Weiher jener ebne Raum?Fürwahr, in dieser UniformDen Glockenturm erkennt man kaum; Und alles Leben liegt zerdrückt,Wie unterm Leichentuch erstickt.Doch schau! an Horizontes RandBegegnet mir lebend´ges Land. Du starrer Wächter, laß ihn losDen Föhn aus deiner Kerker Schoß!Wo schwärzlich jene Riffe spalten,Da muß er Quarantäne halten,Der Fremdling aus der Lombardei:O Säntis, gib den Tauwind frei!
Was rennst, was mühst du dich,Zu mehren deine Tat.Halt nur den Acker rein,Dann sprießt von selbst die Saat;In Ruhe wohnt die Kraft,Du mußt nur ruhig sein,Durch ohne Tür und TorDie Gnade lassen ein.