In Kapellen mit schrägen Gewölben, zerfallnen Verließen und Scheiben flammrot wie Mohn und wie Perlen grün und Marmoraltären über verwitterten Fliesen sah ich die Nächte wie goldne Gewässer verblühn:der schlaffe Rauch zerstäubt aus geschwungnen Fialen hing noch wie Nebel schwankend in starrender Luft, auf Scharlachgewirken die bernsteinschillernden Schalen schwammen wie Meergrundwunder im bläulichen Duft.In dämmrigen Nischen die alten süßen Madonnen lächelten müd und wonnig aus goldrundem Schrein, Rieselnde Träume hielten mich rankend umsponnen, säuselnde Lieder sangen mich selig ein.Des wirbelnden Frühlings leise girrendes Locken· der Sommernächte Duftrausch weckte mich nicht: Blaß aus Fernen läuteten weiße Glocken . . .Grün aus Kuppeln sickerte goldiges Licht . . .
Nun bist du, Seele, wieder deinem TraumUnd deiner Sehnsucht selig hingegeben.In holdem Feuer glühend fühlst du kaum,Daß Schatten alle Bilder sind, die um dich leben.Denn nächtelang war deine Kammer leer.Nun grüßen dich, wie über Nacht die ZeichenDes jungen Frühlings durch die Fenster her,Die neuen Schauer, die durch deine Seele streichen.Und weißt doch: niemals wird Erfüllung seinDen Schwachen, die ihr Blut dem Traum verpfänden,Und höhnend schlägt das Schicksal Krug und WeinDen ewig Dürstenden aus hochgehobnen Händen.
Ich sah Kinder in langem Zug, paarweis geordnet, vor einem Armenspeisehaus stehen.Sie warteten, wortkarg und müde, bis die Reihe an sie käme, zur Abendmahlzeit zu gehen.Sie waren verdreckt und zerlumpt und drückten sich an die Häuserwände.Kleine Mädchen preßten um blasse Säuglinge die versagenden Hände.Sie standen hungrig und verschüchtert zwischen den aufgehenden Lichtern,Manche trugen dunkle Mäler auf den schmächtigen Gesichtern.Ihr Anzug roch nach Keller, lichtscheuen Stuben, Schelten und Darben,Ihre Körper trugen von Entbehrung und früher Arbeitsfron die Narben.Sie warteten: gleich wären die andern fertig, dann würde man sie in den großen Saal treten lassen,Ihnen Brot und Gemüse vorsetzen und die Abendsuppe in den blechernen Tassen.Oh, und dann würde Müdigkeit kommen und ihre verkrümmten Glieder aufschnüren,Und Nacht und guter Schlaf sie zu Schaukelpferden und Zinnsoldaten und in wundersame Puppenstuben führen.
Schwer glitt der Kahn. Die Silberweiden hingenschauernd zur Flut. Und bebend glitt der Kahn.Und deine Worte fremd und klanglos fielenwie blasse Mandelblüten leicht und leuchtendzum Fluß aus dessen schwankem Grunde spiegelnddie hellen Wiesen lockten und der Himmelund allen Lebens traumhaft Bild indesvom flirrenden Geäst durchsungner Kronender Abend in Rubinenfeuern sprühendsich golden in die lauen Wolken schwang.Und deine Worte sanken mit dem Rauschenerglühter Wasser und dem süßen Takttropfender Ruder fremd und schwer zusammenin eine dunkle Weise hingeschleiftvom matten Licht der Dämmerung die schon feuchtdie Wiesen überrann ein Kinderliedaus Spiel und Traum gefügt das weich wie Flaumblaßroter Wölkchen durch den bebenden Glanzder Wasser ging und still im Abend losch.
Bäume weiß ich, frühlingsstarke Bäume, denen gärend der Jugend Saft durch glühende Adern singt.Die lechzend verlangen nach dem Rausche der Erfüllung.Aber noch starren sie kahl und stumm. Harte Schorfe ketten die vorschwellenden Triebe.Und in wilden Träumen nur langen sie empor zu dem schaffenden Licht, daß es sie bade in Glanz und Glut.Weiten sich ihre Äste, daß gierig sie einsögen den zauberstarken Most lauen Sommerregens, zu erblühen und zu leben gleich ihren Brüdern.Denn noch kennen sie nicht den Sommerrausch der Erfüllung. Aber krachend durchwühlt ihren Leib der Lenzstrom der Ahnung.Wanderer ziehen vorüber, und also spricht einer zum anderen:»Sehet die Bäume dort, wie kahl sie stehen und stumm!Kalt schleppt sich ihr Blut, und mürrisch fliehen sie des Lenzes sanft wirkende Kraft.Lasset sie im Dunkeln, die Finstern! ...«So sprechen sie und gehen vorbei. –Und nicht einer, der sähe die stürmenden Flammen der Sehnsucht, die gierend aus ihren Augen lodern und verzehrend über ihnen zusammengluten ...
Der Schnellzug tastet sich und stößt die Dunkelheit entlang.Kein Stern will vor. Die ganze Welt ist nur ein enger, nachtumschienter Minengang,Darein zuweilen Förderstellen blauen Lichtes jähe Horizonte reißen: FeuerkreisVon Kugellampen, Dächern, Schloten, dampfend, strömend .. nur sekundenweis ...Und wieder alles schwarz. Als führen wir ins Eingeweid der Nacht zur Schicht.Nun taumeln Lichter her ... verirrt, trostlos vereinsamt ... mehr ... und sammeln sich ... und werden dicht.Gerippe grauer Häuserfronten liegen bloß, im Zwielicht bleichend, tot - etwas muß kommen ... o, ich fühl es schwerIm Hirn. Eine Beklemmung singt im Blut. Dann dröhnt der Boden plötzlich wie ein Meer:Wir fliegen, aufgehoben, königlich durch nachtentrissne Luft, hoch übern Strom. O Biegung der Millionen Lichter, stumme Wacht,Vor deren blitzender Parade schwer die Wasser abwärts rollen. Endloses Spalier, zum Gruß gestellt bei Nacht!Wie Fackeln stürmend! Freudiges! Salut von Schiffen über blauer See! Bestirntes Fest!Wimmelnd, mit hellen Augen hingedrängt! Bis wo die Stadt mit letzten Häusern ihren Gast entläßt.Und dann die langen Einsamkeiten. Nackte Ufer. Stille. Nacht. Besinnung. Einkehr. Kommunion. Und Glut und Drang.
In dieser Märznacht trat ich spät aus meinem Haus.Die Straßen waren aufgewühlt von Lenzgeruch und grünem Saatregen.Winde schlugen an. Durch die verstörte Häusersenkung ging ich weit hinausBis zu dem unbedecktem Wall und spürte: meinem Herzen schwoll ein neuer Takt entgegen. In jedem Lufthauch war ein junges Werden ausgespannt.Ich lauschte, wie die starken Wirbel mir im Blute rollten.Schon dehnte sich bereitet Acker. In den Horizonten eingebranntWar schon die Bläue hoher Morgenstunden, die ins Weite führen sollten.Die Schleusen knirschten. Abenteuer brach aus allen Fernen.Überm Kanal, den junge Ausfahrtwinde wellten, wuchsen helle Bahnen,In deren Licht ich trieb. Schicksal stand wartend in umwehten Sternen.In meinem Herzen lag ein Stürmen wie von aufgerollten Fahnen.Zum Letzten, Segnenden. Zum Zeugungsfest. Zur Wollust. Zum Gebet. Zum Meer. Zum Untergang.
Ich bin nur Flamme, Durst und Schrei und Brand.Durch meiner Seele enge Mulden schießt die ZeitWie dunkles Wasser, heftig, rasch und unerkannt.Auf meinem Leibe brennt das Mal: Vergänglichkeit. Du aber bist der Spiegel, über dessen RundDie großen Bäche alles Lebens geh´n,Und hinter dessen quellend gold´nem GrundDie toten Dinge schimmernd aufersteh´n.Mein Bestes glüht und lischt – ein irrer Stern,Der in den Abgrund blauer Sommernächte fällt –Doch deiner Tage Bild ist hoch und fern,Ewiges Zeichen, schützend um dein Schicksal hergestellt.
In einem alten Buche stieß ich auf ein Wort,Das traf mich wie ein Schlag und brennt durch meine Tage fort:Und wenn ich mich an trübe Lust vergeb,Schein, Lug und Trug zu mir anstatt des Wesens hebe,Wenn ich gefällig mich mit raschem Sinn belüge,Als wäre Dunkles klar, als wenn nicht Leben tausend wild verschlossne Tor trüge,Und Worte wieder spreche, deren Weite nie ich ausgefühlt,Und Dinge fasse, deren Sein mich niemals aufgewühlt,Wenn mich willkommner Traum mit Sammethänden streicht,Und Tag und Wirklichkeit von mir entweicht,Der Welt entfremdet, fremd dem tiefsten Ich,Dann steht das Wort mir auf: Mensch, werde wesentlich!