Im Traume wars. Ein PilgerschwarmVon Männern und von Frauen zogDurch meine Heimat Hand in Hand,Lobsingend einen süßen Psalm.Im letzten Gliede schreitend folgtIch selig der verwandten Schar.Da schwang durch den harmonischen Chor,Vom Haupt des Zuges, unsichtbarsich eine Stimme jung und frischUnd klar, weithin Gebirg und TalVergoldend mit dem sonnigen Sang.Allein die Stimme jauchzte falsch,Im Tone hinkend und im Takt.Und ob dem wundersamen SangSo schön, so innig und so falsch,Warf ich mich schluchzend auf den Weg,Die Zähne klemmend in die Faust,Die Stirn im heimatlichen Staub.
Wann wars, daß wir lagen im grünen Gras?Im Juli ferne.Was sagtest du, daß du mich habest, was?"Kein bißchen gerne."Was blühte dir in den roten Mund?Mariamargretchen.Wem meintest du, daß du gleichest im Grund?"Einem Gartenbeetchen."Ich sprach: "Ja, was soll ich nun eigentlich Kraut,Wen Unkraut nennen?"Wie ein Iltis hast du mich angeschaut.Nicht zu verkennen.Wir hatten auf unserm SommersitzVergnüglich gedauert.Da kam hinterm Hügel ein KirchturmspitzHervorgelauert."Ja komm nur, du Frommer! und spionier!Spitz Nas´ und Ohren!Notiere dir jeden Kuß wegen mir!Bist stumm geboren.Was nützt dir der Zeiger im ZifferblattAls Stunden zu drehen?Gut, daß er kein Sprachrohr im Schnabel hat,Er würd´ uns verkrähen."Und weil einmal Leichtsinn und Würde nicht sehrZusammenpassen,So schnitten wir eben, es war nicht schwer,Dem Kirchturm Grimassen.Wir stiegen am Abend voll blauen GlücksAus dem grünen Himmel.Da verfolgt uns der Kirchturm hinterrücksMit Glockengebimmel:"Fürio! ihr Leute! Landjäger herbei!Weglagerer, Diebe!Es zünseln, es brenzeln die beiden zweiBrandstiftende Liebe!""Ei, daß dich das Wetter, du Schreihals du!Der Blitz soll dich treffen!Uns erst mit erlogener KirchhofruhSo schändlich zu äffen!"Was hilfts? jetzt weiß doch die Lästerwelt,Wie wir es halten.Drum wollen wir nur um so fester, gelt?Zusammenhalten.
Mit einem Trupp entschlossener GesellenEntwich im Traum ich heimlich übers Weltmeer.In finstrer Nacht erreichten wir die Heimat.Die einen hielten mit gespannter BüchseAm Tor der Kirchhofmauer Wacht. Der RestVersah die Pferde. Nach dem Grab des VatersSchlich ich hinüber, und mit banger Hast,Verhaltnen Atems, fing ich an zu schaufeln.Ich grub und grub. In bodenlose TiefenTauchte der Spaten. Doch vergebens. "Vater",Rief ich, am Boden hingestreckt, "Ich bin´s !Die Pferde stehn bereit! Auf! laß uns fliehn!"Da stand er plötzlich neben mir; leibhaftigUnd wahr, als wär er niemals tot gewesen.Nur etwas müde. Mit den Händen faßtEr meinen Arm sein Auge blieb geschlossen,Und wie im Traume lallte seine Zunge.Ich hob ihn rasch aufs Pferd. Und während wirMit hoffnungsfrohem Mut von dannen sprengten,Begann ich ihm von Völkerkrieg und Frieden,Und was sich andres seither zugetragen,Zu melden und zu schildern. Muntrer wurdeSein Angesicht, und öfters nickt er lächelnd.Allmählich aber schlottert er im Sattel.Der Körper sank, die Hände suchten Stütze.Unruhig schüttelt er den weißen Bart.Dann flüstert er mit tonverlassner Stimme:"Es wird mir doch zu schwer. Ich möchte ruhn."Und während ich ihn aus dem Sattel hob,Entdeckt ich plötzlich, daß ihm eine Wunde,Vom Hemd verdeckt, die mächtige Brust zerfraß.War alles hohl inwendig, gleich als wenn erUnter der Haut nicht Fleisch und Bein mehr hätte.Und ich begriff, daß ich ihn nie mehr rette.
Stapft ein Maidlein auf die Lützelalp,Flink und frei und sauber allenthalb.Bar der Scheitel, Füß und Waden nacktUnd die Ärmchen mit der Post bepackt.Senngehöfte lehnten ihrer dreiAn der Halde in derselben Reih.Furchtsam hielt sie an der ersten Tür,Kramt ein Brieflein ordentlich herfür.Schritt zum zweiten Gaden alsodann,Bracht ein sattes Päckchen an den Mann.Endlich drüben bei dem dritten HausLangte sie ein Telegramm heraus.Hüpfte dann und jauchzt ein dutzendmal,Lief mit lustgen Sprüngen heim zu Tal.Gab den Beutel ab im Postkontor,Schloff zu Bett und legte sich aufs Ohr.Aber oben in der AlpennachtWard bei Licht die ganze Nacht gewacht.Aus dem hintersten der Weiler dreiKlagte Jammerruf und Wehgeschrei.In dem mittleren war Mordio im Schwang.Aus dem ersten becherte Gesang.Maidlein mit dem Kinderangesicht,Sag, was hast dort oben angericht´?Säh man’s auch den nichtigen Händlein an,Daß dir Fluch und Segen klebt daran?
Mir träumt, ich schlummert unterm WeidenbuschAm Bachesufer, auf der Himmelswiese,Und mit dem Wasser käm ein schöner MannIm Boot dahergefahren. Längs der FahrtBog er die Büsche auseinander, spähteIn das Versteck und reichte links und rechtsGeschenke, welche er dem Boot enthob.Wo er vorbeizog, scholl ein Dankesschluchzen.Und aus den Wellen sang´s wie Orgelstimme:"Kleingläubige Zweifler, habt ihr´s nicht gespürt?Ihr mußtet leiden, daß ihr lernet wünschen.Ihr mußtet wünschen, daß ich euch´s gewähre.Was jeder ihm verschwiegnen SeelengrundErsehnt, die Träume, die dem eignen HerzenEr nicht verriet, ich habe sie gebucht.Nehmt hin, ich kenne jedes Menschenherz!Nehmt hin, ich kenne jeder Seele Sehnsucht!"Allmählich kam er auch zu mir. NeugierigSchärft ich den Blick, denn keines Wunsches warIch mir geständig. Da entstieg dem NachenEin strahlend Frauenbild, vertraulich winkend,Eilt auf mich zu und lachte mir ins Auge:"Kleingläubiger Zweifler, hast du´s nicht gespürt?"Dann nahm sie meine Hand und führte michDurch blumige Triften nach den blauen Bergen.Viel Fenster lugten auf den Weg, dahinterGesichter, deren Grüße uns vermählten.Wir aber zogen miteinander weiterUnd immer weiter über Berg und Tal,Ohne Verdruß und ohne Müdigkeit,Bis wir verschwanden in gottinniger Ferne.
Ein Gotenknecht im ApfelbaumTräumt einen jungen Wandertraum.Er hält das Bild der KaiserinUnd schaut zum Waldgebirge hin. Dort, wo am duftgen HorizontDie Frühlingssonne wärmer sonnt,Wo blauer strahlt des Himmels Blau,Dort liegt der benedeite Gau, Dort thront die wunderbare Stadt,Die Ruhm und üppige Frauen hat.Sein Auge netzt ein Tränenstrom,Und seine Lippen lallen "Rom".In einer grauen RegennachtHat er sich heimlich aufgemacht,Und unaufhaltsam weiter fliehtSein Fuß, wohin das Herz ihn zieht. Er leidet Hunger, Durst und Not,Gefahr aus allen Büschen droht;Er nimmt es alles für GewinnUnd küßt das Bild der Kaiserin. In Ravensburg von ungefährLag stationiert ein römisch Heer.Sie peitschten ihn zum AnbeginnUnd schenkten ihn der Kaiserin. Die hörte staunend und gerührtDen Eros, der ihn hergeführt.Sie hat ihn huldvoll angeblicktUnd zu den Bestien hingeschickt. Am Kreuze hing der Gotenknecht.Warum nicht? Das ist römisch Recht.Ein Bär zerfleischte seine Brust.Da hast du römische Sinnenlust.
Mir war im Traum, sie täten dich begraben,An einem Sonntag, draußen unterm Wald,Mit Singen und mit Beten. Leisen TrittesDurch eine Seitenpforte naht ich traurig,Entblößten Haupts von hinten der Versammlung. Da stockte plötzlich der Gesang. Erstaunt,Mit scheuen Blicken starrten sie nach mir.Die Mesner zischelten. Ein GärtnerjungeSchob mir mit dienstbeflißnem Grinsen heimlichDurch meine Finger einen Kranz von Dornen.Aber die Menge teilend trat der PfarrerMir feierlich entgegen, schrieb das KreuzAuf meine Stirne, hielt die Heilige SchriftMir auf die Brust und las mit lauter Stimme:"Vergib, auf daß man dir vergebe", las er.Da regte sichs im Dornenkranz und wuchsUnd quoll wie Blust im Frühling. Rote, samtne,Großmächtge Königsrosen fraßen wucherndDie lichte Luft, den leiderfüllten Kirchhof.Blieb nichts mehr übrig als ein stilles Antlitz,Von Schmerz verschönt, die lieben Heimataugen,Wehmütigen Blicks mich grüßend durch die Rosen.
Nachdenklich schritt ein Zaubrer auf und ab:"Was nützt denn sonst ein Zauberstab?Es gilt ja bloß zu wünschen, nur zu handeln;In einen Engel will ich diesen Frosch verwandeln."Er schwang den Stock, rief "Abrada",Und fertig stand der Engel da.Himmlisch und hehr, beschwingt mit Flügeln,Und länger konnt er seine Leidenschaft nicht zügeln.Er baut ihr einen Tempel und AltarUnd bot ihr knieend Weihrauch dar.Den Weihrauch ließ sie liegen -Und schnappte Fliegen.Der Zaubrer lachte: "So war’s nicht gemeint.Ein Lurch gibt keine Lerche, wie es scheint.Wir wollen uns beeilen,Den Frosch zu heilen."Zum Zauberstocke griff er unverwandt.O weh, den hatte sie verbranntWas blieb ihm nun von seinen ZauberschnakenAls mitzuquaken?
In dieser Welt, von Übelnkrank, vom Blute rot,tut Geist und Schönheit,tut ein Flecklein Himmel not,ein Glücklicher, der nichtsvom Pfuhl des Jammers weiß,ein Edler, rein von Schuld,ein Held, deß Helmbusch weiß.
Mir war, ich triebe durch den Ozean,Allein, in einem schlecht gebauten Kahn.Da schwamm von Osten wimmelnd übers MeerEin tausendfüßiger Polyp daher.Und jeder seiner Füße, seiner TastenTrug ein Gesicht, mit Augen, die mich haßten."Ihr Mörder", schrie ich, "wars euch nicht genug,Daß euer Lästerzahn mir Wunden schlug,Die täglich bluten, unaufhörlich schwären?Soll die Verfolgung übers Weltmeer währen?"Umsonst. Schon wälzt er sich ins Boot. Im NuDas Ruder schwingend, schlug ich blindlings zu.Da zitterte das fürchterliche Tier,Als wie zum Tode wund und ließ von mir.Schnellfüßig floh es übers Meer zurück.Die losen Glieder fielen Stück um Stück.Der Mantel starb. Und aus dem eklen LeibErhob sich unversehns ein blühend Weib,Umstrahlt von wundersamem Farbenglanz.Sie lächelte und drehte sich zum Tanz.Die Arme waagrecht wie am Kreuz gehalten,Schlug sie ihr Kleid in prächtigen Flügelfalten.Je ferner, desto holder ihre MienenUnd desto wonniger die Serpentinen.Mit meinen Blicken folgt ich unverwandtDem Zauberspiel, von süßem Schreck gebannt.Und als es endlich meinem Aug entschwand- "Triumph" dacht ich zu rufen siegbewußt -,Da quoll ein Seufzer tief mir aus der Brust.