Gedichte von Ernst von Wolzogen

Ernst von Wolzogen

Ernst von Wolzogen

deutscher Schriftsteller
* 23.4. 1855 - Breslau
30.8. 1934 - München

Hei! im, Philisterparadies
Gibts grade Wege mit gelbem Kies,
Unkraut wird nicht darin gelitten,
Die Hecken sind alle fein beschnitten,
Die Bäume gleichen an Wuchs Grenadieren,
Damit man möge darunter spazieren
Im Gefühle persönlicher Sicherheit
Zu jeder anständigen Tageszeit.

Am Eingang grüßt, statt Versgeschwafel,
Eine bildsaubere Warnungstafel,
Worauf Verordnungen und Strafen
Zu lesen in deutlichen Paragraphen:
Du sollst deinen Mops an der Leine führen,
Du sollst nicht etwa Lust verspüren,
Dich irgendwo ins Gras zu legen
Oder im Tanzschritt dich zu bewegen.

Du sollst auch nur mit gestärktem Kragen
Dich unter honette Leute wagen –
Macht nichts, wen der den Hals dir ritzt,
Wenn nur der Schlips hübsch grade sitzt.
Verboten ist überhaupt und allen,
Im Paradiese aufzufallen.
Zivil- und Weibspersonen zumal
Richten sich nach dem Modejournal,
Doch zeigt sich echte Gesinnung nur
In Uniform und in Montur.

Kinder, ferner sind nur erlaubt,
Soweit das legitime Familienhaupt
Sich allseitig verbürgt für seine Sprossen
(Natürliche Kinder sind ausgeschlossen.)
Weiters obliegt es dem Herrn Gendarm,
Von Liebespaaren, die Arm in Arm
Betroffen werden auf einsamen Wegen,
Die Papiere (schriftlichen Elternsegen),
Sowie die Trauringe zu erfordern,
Mangelndenfalls sie hinaus zu beordern,
Die vorschriftsmäßige Sittlichkeit
Erheischt nach Einbruch der Dunkelheit
Reinliche Trennung der Geschlechter
Durch den zuständigen Herrn Nachtwächter.

Verschlossen ist streng das Paradies
Für Malcontente und für Genies;
Doch steht es offen für jedermann,
Der seinen Stumpfsinn beweisen kann.

Gedichte von Ernst von Wolzogen
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