Gedichte von Hermann Conradi

Hermann Conradi

deutscher Schriftsteller
* 12.7. 1862 - Jessnitz bei Döbeln, Anhalt
8.3. 1890 - Leipzig

Wie du mich lange, lange verlassen hattest,
Meiner Phantasie und meiner Kraft gewaltige Tochter,
Leidenschaft!
Die du von mir gewichen warest und von mir geflohen
In Dämmertiefen und Nebelgründe

Die du mich hattest verdorren lassen und kläglich verkümmern
Wiederum nun nach langem Entbehren
Feire ich in stürmisch klopfender Brust
Deine dithyrambische Einkehr!

Leidenschaft! Voll bin ich deiner und deiner trunken
Alles Verstaubte tief, tief versunken
Alle Gewöhnlichkeit glitt dahin
Begeisterung! Ich schlürfe dich liebeglühend, Erlöserin!

Voll bin ich deiner! In starker Erregung
In glühender Bewegung
Ist all mein Sein!
Leidenschaft, ich bin dein!

Sie  ist zu mir niedergestiegen
Und hat mich erwählt
Und eine Beute von süßen, köstlichen Siegen
Hab´ ich ihr wieder und wieder erzählt,
Wie sie all mein Suchen und all mein Sinnen
Einzig begreift
Ob Tage, ob Wochen, ob Monde verrinnen

Meine Liebe bleibt und reift ...
Leidenschaft! Du erfüllst mich so ganz!
Mit magischem Schein überströmt mich dein Glanz,
In deinen Wirbeln so ganz verloren

Ward ich wiedergeboren!
Wie so anders nun leuchtet mir Leben und Welt!
Wie so heimisch nun ward mir mein irdisch Gezelt!
Stunden oft rast´ ich und rege mich kaum ...
Und mich erfüllt namenlos glücklicher Traum

Alles gewährend, Leidenschaft, bist du genaht!
Siehe, ein Trunkener wandelt der Liebe rosentriefenden Sonnenpfad!
Die du mich lange, lange verlassen hattest, Leidenschaft
Neu haftet´s in mir von deinen Geschossen!

Neu dampft meiner Seele gebärende Kraft
Ich habe genossen!
Und trunken ward ich von all dem heißen Genießen,
Rosen nur seh´ ich, nur Rosen sprießen

Je und je
Berauschende Düfte wehen mir zu die Winde,
Und mir seligem Kinde
Schweigt das Weh …
Sturm nur erfüllt mich und kühneres Wollen
Ob Tage, ob Wochen, ob Monde verrollen,
Was kümmert´s mich!
Laß sie in blödem Plunder verfliegen
Die du zu mir herniedergestiegen,
Leidenschaft! Liebe! ich halte dich!

Halte dich – ob auch nur eine Stunde
Deine Saat gedeiht!
Geheimnisvoll mit dir im Bunde
Überwind´ ich die zehrende Zeit …

Gedichte by Hermann Conradi
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