Wir haben deinen tiefen Gram vernommen
Und sind in deinen Garten still gekommen,
Wir stimmen unsere Saiten mit Bedacht,
Erwartend lauscht die laue Maiennacht.

Zu deines Ungetreuen Reu´ und Leide,
Zu deiner Nachbarinnen bitterm Neide,
Zu deiner Mutter Stolz und stiller Lust,
So wollen singen wir aus voller Brust!

Zünd´ an dein Licht, daß unser Lied dich ehre
Und vor dem Sternenzelt dein Leid verkläre!
Noch gibt´s manch´ Auge, das in Treuen blitzt,
Manch´ Herz, das noch an rechter Stelle sitzt!

Wohl selig sind, die in der Liebe leiden,
Und ihrer Augen teure Perlen kleiden
Die weißen Wangen mehr, als Morgentau
Die Lilienkelche auf der Sommerau.

Die Liebe, die um Liebe ward betrogen,
Glänzt hoch und herrlich gleich dem Regenbogen;
Zu seinen Füßen, die in Blumen stehn,
Da liegen goldne Schüsseln ungesehn.

Gottfried Keller

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schweizerischer Dichter und Politiker
* 19.7. 1819 - Zürich
15.7. 1890 - Zürich
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