So dir zum Freund ein Dichter ward,
Nun, so behandle ihn nicht hart –
Doch weck auch nicht den in Poeten
Schlummernden Trieb: von sich zu reden!
Leihst du ihm allzuwillig Ohr,
Liest er dir seine Verse vor –
Nicht hin und wieder, nein, tagtäglich –
Welches für Sterbliche unerträglich!

Drum rat ich als erfahrner Mann:
Hör deinen Freund mit Vorsicht an
Und sei bedacht, scharf aufzupassen,
Ob seine Hand nach der Tasche will fassen!

Bemerkst du´s – so ergreif das Wort
Und sprich, und sprich – in einem fort:
Erzähl´ ihm Glücks- und Unglücksfälle.
Viele – und dann empfiehl dich schnelle!

Auf daß er dir´s nicht trage nach,
Lob ihn zuweilen (nicht zu schwach!),
Sprich Gutes über seine Werke –
(Aber auch wieder zu viel nicht, das merke!)

Besuchst du ihn in seinem Haus,
Vergiß nicht einen kleinen Strauß:
Im Knopfloch solch ein Blumenendchen –
Wirkt es doch fast wie ein Ordensbändchen.

Und willst aufs höchste ihn erfreun,
Flicht deinem Strauß ein Zweiglein ein
Des Krauts, das nun mal für Poeten
(Wie auch für Sauerbraten) vonnöten.

Unfraglich zwar verehrt ihm doch
Die Nachwelt einst den Lorbeer noch.
Indessen bleibt´s – um nicht zu lügen –
Immer noch sichrer, ihn lebend zu kriegen.

Georg Bötticher
So dir zum Freund ein Dichter ward, Nun, so behandle ihn nicht hart – Doch… - Georg Bötticher Gedichte
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