Wir schreiten lange stumm und still
Zusammen durch das Leben;
Wenn auch das Herz sich öffnen will,
So schließt sich´s doch mit Beben.
Wir pressen schweigend Hand in Hand,
Das Auge perlt von Tränen,
Da wird erkannt, doch nicht genannt,
Was wir mit Angst ersehnen.

Doch naht sie, ernst und finster, nun,
Die bange Trennungsstunde,
Da kann das Herz nicht länger ruhn,
Springt auf wie eine Wunde.
Dann wir Armen schnell vereint
In schmerzlich süßem Triebe,
Und jeder frägt, und jeder weint:
Du hattest so viel Liebe?

Tief sind wir in den süßen Tausch,
Ach, allzutief, versunken,
Wir haben uns in wildem Rausch
Die Seelen zugetrunken.
Man fühlt, was Mensch dem Menschen ist,
Dann aber soll man scheiden,
Und in der Stund´, wo mans ermißt,
Muß man´s auf ewig meiden.

Friedrich Hebbel

Additional Information

»Hebbels Werke in vier Bänden«, 1. Band, 1921
Please login to view comments and to post

We use cookies on our website. Some of them are essential for the operation of the site, while others help us to improve this site and the user experience (tracking cookies). You can decide for yourself whether you want to allow cookies or not. Please note that if you reject them, you may not be able to use all the functionalities of the site.